Eine Ode an das Kit-Zoomobjektiv

Von wegen Billigscherbe!

Neulich war ich im Internet. Das Internet könnte ja so schön sein, wenn es nicht von Menschen bevölkert würde...

Auf der Suche nach Test- und Erfahrungsberichten über Objektive stieß ich in einem NIKON-Forum auf eine sehr abwertende Äußerung über das kleine Kit-Zoomobjektiv NIKON Z 24-50mm 1:4-6,3. Es wäre demnach angeblich eine Unmöglichkeit von NIKON, eine solche Plastikkonstruktion mit derart minderwertigen optischen Parametern über-haupt anzubieten. Der Niedergang von NIKON und möglicherweise dem gesamten christlichen Abendland wurde in diesem Thread vorausgesagt...
Wenn Menschen einen solch unqualifizierten Mist von sich geben, dann macht mich das immer wütend, und fordert mich heraus, es besser zu machen. Deshalb an dieser Stelle meine 'Ode an das Kit-Zoomobjektiv' .


Kamera:

Objektiv(e):


Filmsimulation:

Film:


sonstige Ausrüstung:

diverse

FUJINON GF 35-70mm, FUJINON XF 18-55mm, NIKKOR Z 24-50mm


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Wenn man eine Fotoausstellung besucht und sich dort die Bilder anschaut, dann werden die wenigsten auf Anhieb sagen können, mit welchem Objektiv oder auf welchem Sensor (Mittelformat, Vollformat, APS-C, M43, 1" usw.) eine bestimmte Fotografie nun tatsächlich aufgenommen wurde. Nach einem Online-Fotokurs waren wir z.B. alle sehr überrascht, dass unser Referent seine Bilder lediglich mit einem Handy aufgenommen hatte. Nix mit Spitzenkameraausrüstung, nix LEICA, NIKON oder sonst etwas. Viele der Kursteilnehmer hatten auch erst kürzlich ihre erste richtige Kamera erworben, zusammen mit einem Kit-Zoomobjektiv, denn sonst wäre dort am Fotoapparat nur ein Loch.

Jetzt bin ich vielleicht ein schlechtes Beispiel hinsichtlich der einen, ersten Kamera mit Kit-Zoomobjektiv. Da hat sich über die Jahre so einiges an Fotoaus-rüstung angesammelt. Man kann ja nie genug Objektive haben. Dennoch greife ich auch heute noch sehr oft und gerne zum Kit-Zoomobjektiv. Kit-Zoomobjektive sind besser als ihr Ruf. Meist sind sie sehr leicht und verfügen über einen universellen Brennweitenbereich. Viele Aufgaben wie Reise-, Street- oder Reportagefotografie lassen sich damit erledigen, ohne umständlich Objektive an der Kamera wechseln zu müssen. Und bei Blende 11 sind sowieso fast alle Objektive gleich gut.

Meine drei liebsten Kit-Zooms möchte ich im Folgenden kurz vorstellen.

FUJINON GF 35-70mm 1:4,5-5,6 WR


Dieses Kit-Zoom war nicht mein erstes Objektiv für das GFX-System. Objektive für das digitale Mittelformat sind oft groß und schwer. Als dann dieses Kit-Zoom, das nur 390g wiegt, in einer Aktion für 500,- EURO zu haben war, habe ich zugegriffen. Mit diesem Kit-Zoomobjektiv kann die 'Dicke Bertha' auch endlich mit ins Gebirge. Wetterfest (WR) ist dieses praktische Objektiv auch noch.

Mit der Abbildungsqualität bin ich ebenfalls sehr zufrieden. Der extreme Pixelpeeper wird natürlich immer "ganz schlimme" Unterschiede zum wesentlichen teueren und schwereren 45-100mm identifizieren können, und damit zu einem negativen Urteil über dieses Kit-Zoom gelangen. Mich interessiert das aber nicht. Ich möchte auch nicht, dass meine Bilder derart bewertet werden. Meine Bilder sollen in erster Linie mir und dann vielleicht auch noch anderen gefallen. Und das gelingt mit dem Kit-Zoom für das GFX-System sehr gut.

Das GF 35-70mm verfügt über keine Stabilisierung. Das braucht es auch gar nicht, weil ja der Sensor der Kamera bereits stabilisiert ist. Die bisher einzige von mir festgestellte Einschränkung ist, dass die Low-Light-Fähigkeiten des 35-70 eingeschränkt sind. In der Nacht benötige ich dann ein Stativ und der Gewichtsvorteil ist dahin.

Der Brennweitenbereich 35-70mm enstpricht dem Vollformataequivalent von 28-56mm. Das genügt für die meisten Aufgaben völlig. Die vielleicht manchmal fehlende Brennweite am langen Ende, kann man durch Cropen des 50-Megapixel-Bildes leicht kompensieren. Mehr Weitwinkel brauche ich hingegen selten, weil Weitwinkel eh nicht so mein Ding ist.

Manche kritisieren, dass dieses Kit-Zoom über keinen Blendenring verfügt. Das ist dann jedoch eher eine Animosität, denn so oft verstellt man die Blende ja auch wieder nicht. Bei Blende 11 sind eh alle Kit-Zoomobjektive gut!

Und was ist mit dem Bokeh? Ihr immer mit eurem Bokeh! Tatsächlich kann man mit dem 35-70 viel näher ran ans Motiv als mit vielen anderen GF-Objektiven. Out-of-focus-blur ist also nicht nur möglich, sondern mit dem 35-70 sogar angenehm weich und ohne grelle Artefakte.

Sicher könnte man mit dem FUJINON GF 35-70mm 1:4,5-5,6 WR jahrelang als Fotograf wachsen, ohne auch nur ein weiteres Objektiv zu benötigen.


NIKKOR Z Z 24-50mm 1:4-6,3


Der äußerst abwertende Thread über dieses Objektiv war der Anlass für diesen Blog-Beitrag. Als ich mich entschieden habe eine NIKON Z5 in meinen Kamera-Fuhrpark aufzunehmen, wurde dieses Objektiv für den Aufpreis von nur 140,- EURO angeboten. Ich habe zugegriffen, weil ich die NIKON nicht nur mit vintage lenes shooten wollte. Meine erste Session mit der Z5 fand mit genau mit diesem Kit-Zoomobjektiv statt.

Den eingangs zitierten Untergang des christlichen NIKON-Abendlandes kann ich jedenfalls nicht konstatieren. Man kann mit diesem Kit-Zoom einen ganzen Tag in den Bergen unterwegs sein, immer bei Blende 8, und man muss auf nichts verzichten, außer auf einen schweren Fotorucksack. Das Ding wiegt weniger als 200g. Das die Kameraelektronik Vignettierung und Verzeichnung ganz heftig korrigieren muss, sieht man den Bildergebnissen nicht an. Der Brennweitenbereich 24-50mm und die auf den ersten Blick geringe Offenblende sind in Genres wie Landschafts- oder Reisefotografie nicht nur für den Anfänger mehr als ausreichend. Wie bereits gesagt, bei Blende 11 sind sie eh alle gut. Übrigens, im Crop-Mode ergibt sich ein Kleinbildaequivalentbrennweitenbereich (was für ein geil langes Wort) von 36-75mm!

Auch mit diesem Objektiv kann man sehr nah ran ans Motiv (35 cm Naheinstellgrenze), und so gelingen dann auch Aufnahmen mit ganz ansehnlichem Bokeh. Die optischen Eigenschaften und Leistungen des Objektivs sind also gemessen am Aufpreis von nur 140,- EURO durchaus interessant, besonders wenn man zunächst über kein einziges Objektiv verfügen würde.

Eine Stabilisierung hat das 24-50 leider nicht, aber dafür sind die Sensoren der NIKON-Kameras mittlerweile alle stabilisiert.

Meine Kritik bezieht sich dann eher auf den Einzelpreis für das 24-50mm. 500,- EURO sind für diese Plastikkonstruktion schon zu viel. Da bieten Fremdhersteller wie SIGMA oder TAMRON doch Alternativen mit einem wesentlich besseren Preis-Leistungs-Verhältnis. Ach, und da ist noch eine Sache. Die Bilder dieses Objektives zeigen keine Sonnenblende. Die habe ich nicht etwa schon verloren, sondern muss zugekauft werden. Für die Gegenlichtblende werden noch einmal 40,- EURO aufgerufen. Der elegant zugeschnittene Kern einer Klopapierrolle könnte die gleiche Funktion erzielen und ist deutlich preisgünstiger.

Fazit: Bevor ein Loch am Kameragehäuse der ersten NIKON klafft, kann man getrost zum Kit-Zoomobjektiv NIKKOR Z Z 24-50mm 1:4-6,3 greifen und für lange Zeit Freude damit haben.


FUJINON XF 18-55mm f/2,8-4 R LM OIS


Unter allen Kit-Zoomobjektiven nimmt dieses mittlerweile abge-kündigte Objektiv eine Ausnahmestellung ein. Die Verarbeitung ist hochwertig. Es wird viel Metall verwendet. Die optische Leistung ist sehr gut. Es gibt einen Blendenring und der Linearmotor (LM) ist sehr leise. Was für eine Entdeckung, nachdem ich von CANON auf FUJIFILM umgestiegen bin. Das 18-55 ist übergens mein Erstkontakt mit FUJINON-Objektiven.

Die Abbildungsleistung lässt für ein APS-C-Zoom kaum Wünsche offen. Als FUJIFILM-Anwender muss man eher lernen zu klagen ohne zu leiden. Zumindest habe ich an diesem Objektiv nichts gefunden, dass sich nicht durch Abblenden beheben ließe. Wie bereits gesagt, bei Blende 11 sind sie eh alle gut.

Gut auch, dass dieses Kit-Zoom über einen Stabilisator verfügt (OIS), denn erst ab der FUJIFILM X-T4 wird der stabilisierte Sensor zur mehr oder weniger regelmäßigen Ausstattung.

Der relativ hohe Offenblendenbereich von 2,8-4 erlaubt schon ein erweitertes Kreativpotential. Besonders am langen Ende ist das Bokeh very pleasing. Die Naheinstellgrenze ist ausreichend für schöne Blumenfotos aus dem Gebirge. Der Kleinbildaequivalentbrennweitenbereich von 28-83mm lässt kaum Wünsche offen. Ohne GAS (Gear Aquisition Syndrome) könnte ich jahrzehntelang nur mit diesem einen Objektiv auskommen.

Einziger Minuspunkt ist für mich die fehlende Wetterfestigkeit, denn das 18-55 ist ein regelmäßiger Begleiter beim Bergsteigen. (Ob wohl dieses Objektiv Regen magisch anzieht?) Es ist deshalb so oft beim Bergsteigen mit dabei, weil mehr universelle Funktionalität in nur 310g Gewicht kaum unterzubringen ist. Trotzdem ist die Linse außerordentlich robust und die zahlreichen Kratzer und Schrammen zeugen weniger von schlechter Verarbeitungsqualität als vielmehr von intensiver Nutzung. Für mich ist das FUJINON XF 18-55mm f/2,8-4 R LM OIS zu mehr als einem Kit-Zoomobjektiv geworden. Mit desem Objektiv habe ich während der langen Zeit der Covid-Pandemie meine Liebe zur Fotografie wiederentdeckt.

Zusammenfassung


Wer glaubt sich dadurch als besserer Fotograf profilieren zu müssen, indem er abfällige Urteile über Kit-Zoomobjektive fällt, der sollte nochmal tief durch die Hose ausatmen.

Fast jeder von uns hat mit einem Kit-Zoomobjektiv angefangen, und das ist auch gut so. Wir konnten lernen die Einschränkungen einer solchen Optik einzuschätzen. Man lernt nämlich viel, wenn man Einschränkungen umgehen muss.

Und auch wenn der Objektivpark des einen oder anderen, fortgeschrittenen Fotografen oder solchen, die sich dafür halten, über das Kit-Zoom hinaus angewachsen sein sollte, hat auch das Kit-Zoomobjektiv immer noch einen Platz in der Fototasche verdient. Mit dem Kit-Zoom ist man leicht und beweglich unterwegs.

Und zuletzt gilt immer noch, nein, dieses Mal nicht, dass sie bei Blende 11 alle gut sind, sondern dass der Fotograf das Bild macht und nicht das Kit-Zoomobjektiv!

Übrigens sind die Bilder dieses Tagenbucheintrages alle mit einem manuell zu fokussierenden, sehr billigen China-Objektiv entstanden. Sind "China-Scherben" auch die Vorboten des Untergangs des christlichen Foto-Abendlandes? Ich hätte da schon eine Idee für einen der nächsten Blog-Beiträge...

Zing • 8. Dezember 2024