Biwaktour Kröndlhorn - Tag 1
Na Servus, TV!
Um kurz vor Mittag stehe ich mit dem schweren Biwakrucksack im hintersten Winkel des Windautals und bin bereit zum Aufbruch. Das die Gelegenheit viel günstiger ist, lässt sich leicht feststellen, als ich die Rotwand Grundalm erreiche. Trotz schwerem Rucksack komme ich viel schneller voran als im vergangenen Jahr. Auch der folgende, etwas langwierige Übergang zum Reinkarsee verläuft fast wie im Flug. Nur ein altes Schneefeld muss ich queren. Damals war ich nach diesem Abschnitt bereits völlig bedient und hatte sogar eine Überwinterung in der kleinen Schutzhütte in Erwägung gezogen. Heute reicht die Hütte nur zum Pausenstützpunkt, um einen kräftigen Schluck aus der Wasserpulle zu nehmen. Den Reinkarsee werde ich voraussichtlich nach 2,5 Stunden (inkl. Pausen) erreichen.
Nur noch diese seichte Rinne und der Reinkarsee ist erreicht. Plötzlich summt ein Quadrocopter durch die Luft. Schlagartig bauen sich Horrorphantasien vor meinem geistigen Auge auf. Die Idee mit dem Reinkarsee könnten andere auch gehabt haben. Dort steppt wohl der Bär. Heute Nacht werden die Ghettoblaster wummern. Was für'n Scheiß ...
Als ich den See erreiche sehe ich schon die beiden Drohnenpiloten. Links davon steht ein Pärchen mit Blasinstrumenten! Was, Blasinstrumente? Ich frage die beiden ganz plump, was sie hier denn eigentlich machen.
"Wir drehen für servusTV! Gehst Du auch noch so spät zum Gipfel?"
"Ähm ja, aber ich werde mich danach hier oben verstecken, auf keinen Fall campen, das ist ja verboten... Moment mal, ihr wollt heute auch noch auf's Kröndlhorn? Und dann?"
"Noch ins Tal zur Rotwandalm."
"In zwei Stunden geht die Sonne unter!"
Die zwei blasen in die Hörner und die Drohne summt dazu über den Reinkarsee. Ich bin froh, dass sie heute Nacht verschwunden sein werden. Insgeheim hoffe ich sogar auf einen Sieg der Vernunft, und dass die Truppe in Anbetracht der fortgeschrittenen Uhrzeit vielleicht doch nicht mehr zum Gipfel aufbricht.
An einem kleineren See, auf ca. 2.200 m richte ich ein Depot mit Schlafsack, Isomatte und Spirituskocher ein. Das Zeugs muss ich ja nun wirklich nicht zum Gipfel schleppen. Der Platz ist recht windgeschützt. Eine ebene Liegefläche im welken, aber weichen Gras ist auch vorhanden. Bis zu einem kleinen Bach sind es nur 25 Meter. Gut! Appartment eingerichtet! Jetzt kann ich also zum Gipfel aufbrechen.
Gerade als ich wieder in der Spur bin, also auf den Wanderweg zurückgekehrt, kommt auch schon die illustre Fernsehtruppe lauthals dahermaschiert. Na Servus! Warum muss gerade die eine Frau immer so furchtbar viel und laut sabbeln? Ich lasse die überholen. Vielleicht sind die ja mit Filmen fertig, wenn ich dann später oben ankomme. Aber so gut kann ich auch nicht trödeln...
Nun, mein heutiger Besuch auf dem Kröndlhorn dauert nur knapp 5 Minuten. Auf Nachfrage meinerseits wollen die in einer halben Stunde los. Ich schätze, dass Zeitplanung nicht zu deren Stärken gehört. Ein schneller Eintrag ins Buch der Gipfelkapelle und dann bin ich auch schon wieder weg. Ich gehe zum nahen Kröndlberg hinüber. Der ist zwar vier Meter niedriger, aber auch viel stiller. Und dann ist da noch die Erkenntnis, dass der Kröndlberg sogar viel besser als Fotospot geeignet ist. Am Kröndlhorn scheppern schon wieder die Blechblasinstrumente...
Erst fünf Minuten vor Sonnenuntergang steigt die Truppe in die rasche Abenddämmerung ab. Aus einer halben Stunde sind doch eineinviertel Stunden geworden. Aus der Ferne war es zu ertragen, wobei ich auch ohne servusTV ganz glücklich, wenn nicht sogar glücklicher gewesen wäre. Fernsehn ist Mist! Ich sollte mal wieder ein Buch lesen!
Ich könnte jetzt auch ganz viel über die herrlichen Farben der untergehenden Herbstsonne schreiben, aber dafür gibt es ja Fotos. Nur deshalb bin ich eigentlich hier und auch bereit, mir die kommende Nacht bibbernd und mit ganz wenig Schlaf um die Ohren zu schlagen.
Auf dem kurzen Weg zum Matrialdepot brauche ich noch keine Stirnlampe. Den Lagerplatz erreiche ich noch bei ausreichender Resthelligkeit. Ein ltztes Foto und dann wird erstmal Tee gekocht...