"Bergwanderung" Juifen
Fast schon eine Schneeschuhtour
Am Vortag hole ich bereits die Schneeschuhe, Lawinensonde und -schaufel aus dem Keller. Das LVS-Gerät erhält frische Batterien. Ein Blick ins Internet und auf die Webcams aus der Achenseeregion hinterlässt dann aber doch keinen so grimmigen Eindruck. Die Ausrüstung kann daheim bleiben. Gamaschen und Snowchains (it's not a Grödel) müssen als Sonderausstattung genügen.
Nach der etwas langweiligen Wanderung über Straßen und Forstwege erreiche ich nach ca. einer Stunde bereits die Falkenmoosalm. Die liegt schon auf über 1.300 m und erste Schneereste schmücken die Wiesen. Zwei Alphornbläser versuchen den Unützen und dem Guffert Echos zu entlocken. Ich denke mir noch, dass es ja heute wie am Schnürchen läuft. Höchstens zwei Stunden noch bis zum Gipfel. 3,75 Stunden hatte ich ausgerechnet und die Bingozeit sogar großzügig auf 5 Stunden festgelegt.
Der Weg biegt nach Norden ein, um dann in einer scharfen Kehre wieder nach Süden auf die Großzemmalm zu schwenken. Hinter dieser Kehre finde ich eine andere Welt vor. Erster Schneekontakt. Junge Laubbäume sind unter der Schneelast zusammengebrochen und liegen auf der Almstraße. Meine Geschwindigkeit nimmt ab. An der Großzemmalm brauche ich eine erste Pause. Die Gamschen müssen angelegt werden. 1,75 h bis hierher.
Jetzt wird es sehr zäh. Der Schnee liegt z.T. knietief auf der Almstraße. Breite Lawinenstriche kreuzen das breite Band, das nun kaum noch als Schotterpiste zu erkennen ist. Aus den Hängen der Marbichler Spitze lösen sich immer wieder kleine Schneerutsche ab. Ich will nur schnell weg hier und komme trotzdem kaum voran. Für den späteren Abstieg plane ich eine weiträumige Umgehung dieser Gefahrenstelle ein.
Erleichtert erreiche ich die Lämepereralm auf 1.700 m. Den Juifen kann man schon sehen. Jetzt dauert es sicher nicht mehr lange?
Auf dem Sträßchen unter der Marbichler Spitze komme ich recht schnell vorran, nur um dann im weiten Sattel zwischen der Marbichler und dem Juifen bis zu dem Oberschenkeln im Schnee zu stehen. Erst jetzt bemerke ich, dass ich Hut und Sonnenbrille vergessen habe. Eine Mütze hilft in diesem grellen Licht nicht viel.
Ich quäle mich zum Gipfel, versuche dabei so viele apere Stellen wie möglich zu nutzen und bloß nicht im tiefen Schnee einzusinken. Alle fünf Minuten schaue ich auf's Navi. Schneller werde ich dadurch auch nicht. Die geplanten 3,75 Stunden sind schon lange ausgereizt. Noch 150 Hm bis zum Gipfel. Das wird mich noch eine weitere dreiviertel Stunde kosten. Der Ostwind peitscht in mein gerötetes Gesicht. Der Schnee will mich heute einfach nicht tragen. Jeder Schritt durch den tiefen Schnee zwingt mich zu einer eigentlich für den Hürdenlauf typischen Bewegungsabfolge.
Gipfel. Für die Aussicht hat sich die Anstregung gelohnt. Karwendel und Rofan zeigen sich im winterlichen Schneekleid. Schnee bis zum Horizont. Nur der Wind schmälert die Gipfelfreude. Bei den Böhen gelingt es mir kaum die Kamera still zu halten. Ich schalte die IS ein und fotografiere 360° um mich herum ab. Ein paar Sekunden schaue ich noch dumm in die weiße Welt, steige dann aber etwas ab, um eine Gipfelrast an einem etwas windstilleren Plätzchen einzulegen.
Hinunter geht es ja bekanntlich immer schneller, oder? Der Schnee ist unter der Sonneneinstrahlung mittlerweile zu einem zweifelhaftem Sulz geworden, der gerne auf dem langen Gras abrutscht, sobald man mit den klobigen Schuhen darauf tritt.
Das Licht ist jetzt besonders schön. Der Auslöser knattert durch den heulenden Ostwind.
Die Umgehung der Gefahrenstelle unter der Marbichler Spitze gelingt mir gut, jedoch nicht ohne den Protest einer fauchenden Gemsenschar, die bei der Flucht den Schnee durch die Luft wirbelt.
Nahe der Falkenmoosalm nehme ich auf einer Bank Platz und wringe die Socken aus. Ein Totalversagen der Impregnierung.
In diesem Urlaub wird es wohl nichts mehr mit den ganz hohen Gipfeln werden. Vielleicht wird der Oktober ja nochmal besser. Aber das ist später.
Jetzt brauche ich zuerst einen neuen Plan für das Jetzt und die kommenden zwei Wochen.