Objektivtest in Scheyern und Hohenkammer

Das
TAMRON 17-70mm F/2.8 Di III-A VC RXD
im Praxistest

Im Vordergrund dieses Tagebucheintrages steht klar die Fotonotiz. Ich möchte im Rahmen von zwei kleinen Sonntagsspaziergängen ein neues Objektiv in der Praxis testen, weil die Fotografie von Siemenssternen, Ziegelmauern und dergleichen so furchtbar langweilig ist und auch kaum eine Aussage über die wahre Nützlichkeit einer Optik liefert.

Die Empfehlung eines Kollegen führt mich zunächst nach Scheyern. Später möchte ich noch versuchen den Glonn-Abschnitt zwischen Hohenkammer und Petershausen für mich abzuschließen. Und immer dabei das neue Ojektiv...

geografische Einordnung:


erreichte Gipfel:

weitere Wegepunkte:

Talort(e):


Schwierigkeiten:

Höhendifferenz Aufstieg/Abstieg:

Distanz:


Zeitbedarf inkl. Pausen:

Voralpenland zwischen Ilm und Glonn


-/-

-/-

Scheyern, Hohenkammer


Wandern: T1         Klettern UIAA: -/-          Klettersteig: -/-           Schneeschuhe: -/-

220m / 220m

15,6km


6h30m

Kamera:

Objektiv(e):


Filmsimulation:

Film:


sonstige Ausrüstung:

Fujifilm X-T3

TAMRON 17-70mm F/2.8 Di III-A VC RXD


PORTRA 400, ACROS

-/-


Stativ + Polfilter, jeweils unbenutzt (Balast)

Warum benötige ich denn schon wieder ein neues Objektiv? Wenn jemand anderes als ich diese Frage gestellt hätte, dann hätte ich das als Insubordination betrachtet. So aber, kann ich mit den fotografischen Vorbemerkungen beginnen.


Auf Reisen und beim Bergsteigen war bisher die Kombination von Fuji X-E3 mit dem XF 18-55mm f/2.8-4 unschlagbar. Etwas mehr als 600g Gesamtgewicht und man hatte eine kompakte und vielseitige Lösung parat. Ganz ohne Kompromisse ging es dann jedoch nicht. Die max. Brennweite von 55mm am kleinen Fuji Kitzoom wird oft zu einer kreativen Einschränkung, der man nur in begrenztem Umfang durch einem nachtäglichen crop begegnen kann. Wirklich vorzeigbare Resultate erhält man mit dem 18-55 erst ab Blende 8 bis 11. Der Bereich der nutzbaren Öffnung ist also begrenzt. Zuletzt ist weder die X-E3 noch das XF 18-55 wetterfest. Deshalb musste bei Schietwedda immer die X-T3 mit bis zu vier wetterfesten Festbrennweiten ran. Aber wer wechselt schon bei Minusgraden ohne Handschuhe das Objektiv? Wie groß ist die Bereitschaft den Rucksack während eines Graupelschauers abzusetzen, um umständlich die Wechseloptik zwischen alten Socken und zerquetschter Banane herauszusuchen? Am liebsten hätte ich ein Zoomobjektiv, das wetterfest ist, das mehr Brennweite liefert, das auch bei Offenblende sehr gute Leistung zeigt und das einfach immer auf der X-T3 drauf sein kann.


Fujis XF 16-55mm f/2.8 ist keine Lösung. Schwer, teuer, kein OIS und auch nur mit 55mm max. Brennweite. Fujis XF 16-80mm f/4 ist wetterfest, verfügt über OIS und klingt eigentlich ganz vernünftig. Allerdings zeigen mehrere Testberichte, dass auch diese Objektiv erst ab 5,6 die beste Leistung abliefert. Ansonsten hört und liest man sehr wenig über diese "Linse". Der "Publikumsliebling" scheint das XF 16-80mm nicht zu sein, und allein das ist mir schon verdächtig...

Ich entdecke das TAMRON 17-70mm F/2.8 Di III-A VC RXD und es klingt interessant. Bei einem Kleinbildäquivalent von 25-105mm kann man nicht meckern. Bereits bei Offenblende soll die Auflösung gut bis sehr gut sein. Das Objektiv ist gegen Witterungseinflüssse und Staub geschützt (schade, dass Objektivhersteller niemals einen IP-Schutzgradd angeben). Bildsstabilisierung hat es auch. Nur der bei Fuji übliche Blendenring fehlt dem TAMRON-Objektiv. Die Blende muss über das 'front command dial' (wie nennt man das auf Deutsch?) eingestellt werden. Ich denke, dass ich das verschmerzen kann und greife zu...


Vergleicht man mehrere Tests auf youtube oder im Internet, dann kommen diese zu unterschiedlichen Ergebnissen. Beim einen ist das Objektiv bei 17mm besser als am langen Ende, ein anderer misst die höchste Auflösung bei den langen Brennweiten und erkennt Auflösungsschwächen im Weitwinkelbereich. Mal schauen wie sich mein Exemplar schlägt. Beim 'first light' am Siemensstern und später an der Welt vorm Küchenfenster stelle ich zuerst fest, dass der AF-Bereich an der X-T3 größer eingestellt werden muss, damit die Linse optimal scharf stellt. Die Bilder sind über alle Brennweiten scharf, wobei ich das Maximum bei f/4 ermittle, nur bei 17mm muss ich auf f/5.6 gehen. Auflösungsvermögen ist jedoch nur ein Teilaspekt der zur subjektiven Schärfewahrnehmung des Menschen beiträgt. Der andere ist Kontrast. Bei kleinen Strukturen im Bereich von 30 l/mm und wenig Licht lässt die Leistung des TAMRON dann sichtbar nach. Nachtaufnahmen könnten zu einer Herausforderung werden.

Aber was bedeutet das für die Praxis? Das möchte ich heute in Scheyern ausprobieren.


Allein die Anfahrt über Schachach und Winden ist die Reise Wert. Hier sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht. Eine herrlich stille Hügellandschaft. Kurz vor Erreichen von Scheyern greift die Sonne mit leuchtenden Fingern durch die Krone eines Baumes in den dichten Bodennebel. Wenn ich nicht fahren müsste, dann wäre das heute ein Bild für Projekt 12 geworden...

Als ich Scheyern erreiche und vom Parkplatz der BOS losmaschiere lösen sich die Nebel bereits auf. Es wird ein sonniger Vormittag mit blauem Himmel werden. Wie langweilig und schade. Ich stochere mit dem TAMRON in der Welt des Kleinen. Die Spinnennetze hängen schwer und Träge vom Tau der letzten Nacht in den Feldern. Das Freistellvermögen des Objektivs ist sensationell.

Auch an schlichten Landschaften - Vordergrund, Mittelgrund, Hintergrund - und bei Blende 8 arbeitet es in allen Brennweitenbereichen sehr solide. Sogar Gegenlicht vermag es nicht ins Wanken zu bringen. Ich beobachte kaum 'flares' oder 'purple fringing'. Nur als Spitzlichter ins Bildfeld geraten, wird es unruhig. Das Bokeh des 17-70mm ist unansehnlich und auch kaum in der Nachbearbeitung zu retten.

Die Runde in Scheyern neigt sich dem Ende zu. Im dichten Laub und bei Blende 11 kann ich dem TAMRON dann 'sun stars' entlocken...


Hohenkammer konnte ich bereits im vergangen Jahr kennenlernen. Damals hatte ich nur Filmkameras dabei. Außerdem würde ich gerne meine persönliche Glonn-Lücke zwischen Hohenkammer und Petershausen schließen. Bevor ich mich auf den Weg mache, umrunde ich zuerst dass Schloss. Die stürzenden Linien muss ich später zwar alle am Computer korrigieren, aber insgesamt ist die Verzeichnung von TAMRON's 17-70mm erstaunlich gut unter Kontrolle. Das TAMRON liefert die Korrekturdaten an die Kamera. Fujis zusätzliche Optimierung der MTF (lens mod. opt.) ist für das Fremdobjektiv jedoch nicht verfügbar. Wahrscheinlich ist das der Grund dafür, das Fujis Objektive bessere Mikrokontraste abliefern.

In Herschenhofen betrete ich erstmals Neuland. Allerdings müsste ich ab hier zunächst an der Straße entlang laufen. Einen Weg direkt an der Glonn gibt es leider nicht. Selbst am Sonntag kommt mir hier ein Lkw entgegen! Entnervt drehe ich um und versuche mein Glück am Nordufer der Glonn. Ein Weg bringt mich bis auf ca. 1 km an den Ortsrand von Petershausen heran. Dann geht es nicht weiter. Ich drehe um und schließe die Runde über Mittermarbach ab. In einem Gebüsch summt und brummt es. Hornissen jagen Wespen. Beide Arten jagen mir Angst ein. Gestochen möchte ich von keiner werden. Die Faszination überwiegt. So entsteht eine kleine Hornissen-Serie, bevor ich mich wieder auf den Weg zurück nach Hohenkammer mache.


Und was ist jetzt über das TAMRON 17-70mm F/2.8 Di III-A VC RXD zu sagen? Die Bezeichnung dieses sehr praktischen und nützlichen Objektivs ist einfach zu lang! Ansonsten ist die Zahl der Kompromisse, die man mit einem Vierfach-Zoom eingehn muss, sehr gering. Die Blende mit dem vorderen Rädchen an der Kamera ('front command dial' klingt besser) einzustellen ist keine unüberwindbare Hürde. Und für schöne Bokeh-Highlights nimmt man lieber eine 'vintage lens'. Ansonsten sind heute 350 Bilder entstanden, von denen 99 den Weg in die Bearbeitung geschafft haben. Das 17-70mm bleibt vorerst auf der X-T3.


Zing • 24. September 2023