Buchbesprechung - Die Augen der Galaxis

Mehr als die Hälfte der Architekten-Trilogie von Adrian Tchaikovsky

2022 ist der erste Band "Die Scherben der Erde" erschienen. Nur ein Jahr später liegt auch die Deutsche Ausgabe des zweiten Bandes mit dem Titel "Die Augen der Galaxis" vor. Ich hatte mir ja vorgenommen dieser Reihe noch eine Chance zu geben, muss jedoch auch gleich gestehen, dass für die netto 650 Seiten über sechs Wochen gebraucht habe. Netto? Ja, das werde ich erklären. Sechs Wochen? Ja, auch das muss ich erklären.

Die Geschichte um den Intermediär erster Klasse Idris Telemmier und seine Weggefährten im Kampf gegen die zerstörerischen Architekten-Wesen geht weiter. Bevor man jedoch zusammen mit der Crew die abgehalfterte Geiergott besteigen kann, muss man zuerst fünf Seiten Vorbemerkungen und weiter sieben Seiten Prolog studieren. Dann erst beginnen die netto 650 Seiten Roman. Danach stehen dem geneigten Leser insgesamt 19 weitere Seiten Glossar mit den Auflistungen aller Personen, Raumschiffe, Welten und Spezies sowie eine umfgreiche Chronik, die von 107 Davor bis 124 Danach reicht, zur umfassenden Weiterbildung zur Verfügung. Der Fragebogen zur Lernkontrolle fehlt leider. Für die Danksagung des Autors bleiben nur vier schmale Sätze übrig. 4,769% Overhead zur eigentlichen Geschichte!

Manchmal kommt es mir so vor, als wolle Tchaikovsky ein zweites Star-Wars-Universum mit zahlreichen Spezies und Planeten erschaffen. Dabei versucht Tchaikovsky literarisch das zu erreichen, was einem Kinofilm viel leichter und eher beiläufig gelingt. "Ah, ein Wesen, das mit seinen sechs Händen Flöte auf den eigenen 17 Nasenlöchern spielen kann. Interessant? Ja. Für die Handlung wichtig? Nein, also weiter in der Handlung..." Tchaikovsky verbraucht dafür hingegen wertvolles Papier, sowohl im Netto-Roman als auch im Glossar. Eine zusätzliche, kleinwüchsige Spezies, den Essiel untertan braucht das Universum nicht mehr und der Leser auch nicht.

18 Welten werden im Zuge der Handlung erwähnt - einige davon nur ein einziges Mal - und anschließend im Glossar aufgelistet. Wird der Roman dadurch größer und besser? Ich finde das nicht.

Warum muss das Personenregister dieses Romans eigentlich Personen enthalten, die bereits im ersten Band verstorben sind und im zweiten Band nicht einmal erwähnt werden?

Andere Autoren wie z.B. Simmons oder Asimov haben wirklich Universen in der Phantasie der Leser erschaffen. Sie bedienen sich dabei dem Mittel des Wortes. Wahrhaft herausragende Werke stehen für sich alleine und fordern per se den Leser dazu auf, sie zu sezieren und zu analysieren. Die Buchführung wird zur Angelegenheit der Fangemeinde interessierter Leser. Tchaikovsky hingegen beraubt seine Leser dieser Möglichkeit, das von ihm entwickelte Universum selbst zu erforschen. Alles wird erklärt, nichts wird Spekulationen überlassen. Kleine Geheimnisse werden schnell gelüftet. Vielleicht ist Tchaikovsky auch nur selbst sein größter und vielleicht einziger Fan?


Damit wäre "Netto" schon mal geklärt. Warum hat die Lektüre dieses Büchleins dann so lange gedauert? Gerüchten, dass ich zu oft im Glossar querlesen musste, möchte ich an dieser Stelle entschieden widersprechen. Nein, die Erklärung ist ganz einfach. Spannung und Geschwindigkeit entstehen erst auf den letzten 50 Seiten. Das Davor ist schlicht nicht mitreißend genug und die Cliffhanger werden bereits in den ersten Sätzen des jeweils folgenden Kapitels aufgelöst.

Die Charaktere entwickeln sich ebenfalls nicht weiter und bleiben auf dem Stand des ersten Bandes stehen. Neu eingeführte Personen bleiben lediglich stereotype Klone der bereits aus dem ersten Teil bekannten Personen. "Klar hat ein fieser Neffe einen noch fieseren Onkel!"


Wie hat es mir also gefallen? "Die Augen der Galaxis" ist SciFi-Unterhaltung. 2 von 5 Sternen.


Werde ich den dritten Teil lesen? Die Frage werde ich entscheiden, wenn der dritte und hoffentlich abschließende Teil erschienen ist, und ich wirklich gar kein spannenderes Buch finde.

Zing • 6. April 2024