Wanderung um Weßling
Es kann der Frömmste nicht in Frieden knipsen, wenn die Mücken ihn verstechen!
Im feinen Münchner Süden sind die S-Bahnhöfe auch keine Vorzeigeobjekte. Alles riecht nach Vandalismus, Pisse und dem Erbrochenen der letzten Nacht. Auf den ersten Metern um den Weßlinger Bahnhof herum erscchließt sich das Attribut Top-Tour jedenfalls nicht. Ich mache es wie William Eggleston und fotografiere das, was da ist, auch wenn es nicht schön ist.
Nach wenigen hundert Metern geht es endlich ab in die Natur. Eine erste Waldszene weckt sofort mein Interesse. Als ich bedächtig ansetze, um die Bildkomposition zu gestalten und die Kamera einzustellen, summt es schon an meinem Ohr und feine Nadelstiche an den Unterarmen führen zu einem verwackelten Bild. Mücken! Nicht nur ein paar Mücken, hunderte, nein tausende. Vorhin habe ich den Gedanken an ein langärmeliges Shirt noch weggewischt. Lass mal Sonne an die Haut, Zing! Wie ich das jetzt bereue. Ich fliehe vor den Plagegeistern. Dahinten ist es bestimmt besser...
Es wird nicht besser. Während der gesamten Wanderung wird es nicht mehr besser. Ob es überhaupt nochmal besser wird? Die Wanderung führt durch eine so wunderbare Landschaft. Man möchte stehen bleiben und schauen. Und sofort sind die Plagegeister wieder zur Stelle.
Ich entwickle die hit-and-run-Fototechnik. Bei einem interessanten Motiv drehe ich eine kleine Schleife und schalte dabei die Kamera ein. Wichtige Einstellungen wie Blende und Belichtungszeit werden noch im Gehen vorgenommen. Dann bleibt man einfach nur das Doppelte der Belichtungszeit stehen, also z.B. Belichtungszeit = 1/125s, 1/60s stehen bleiben, und bewegt sich danach in einer geschickten Bewegung hakenschlagend, schnell weiter.
Das funktioniert ganz gut, auch wenn gemütliches Wandern anders aussieht.
Am Oberen Aubach funktioniert es dann nicht mehr. Ein Blinder Kuckuck erkennt den Trick, bleibt einfach sitzen und sticht zu. Aua, das tut weh. Für das Bild von der blauen Blume hat es sich jedoch gelohnt.
Im Dickicht kommen mir zwei Radfahrer schiebend entgegen. Sie schreit wie ein Mädchen und fuchtelt wild herum. Die Mückenschar ist jetzt in heller Aufruhr. Da muss ich wohl durch. Als ich den Weßlinger See erreiche, bin ich etwas in Eile, um die Bahn um 09:37 Uhr zu erreichen. Ansonsten müsste ich hier eine Stunde warten bzw. schnell im Kreis laufen. Am Strandbad wird Mückenspray für 9,- EURO verkauft. Das ist bestimmt ein einträgliches Geschäft.
Resümee: Ja, die Runde um Weßling ist eine Top-Tour. Die Wanderung ist kinderleicht und bietet dem schnellen Fotografen viele Motive. Wie eine Mücke habe auch ich Blut geleckt und war bestimmt nicht zum letzten Mal in dieser Gegend. Was für eine Entdeckung.