Stockholm - Exkursion in die Unterwelt

Die Kunst der Tunnelbana

Die öffentlichen Verkehrssysteme in anderen Ländern und Städten faszinieren mich. Oft staune ich darüber, wie reibungslos und elegant Nahverkehr funktionieren kann, und denke dann mit Schrecken an die Rückkehr nach München sowie die erste S-Bahnfahrt vom Flughafen in die Stadt. Und in der Stadt entschuldigt sich dann wieder "meine" MVG, weil es dort nicht weitergeht...
Gut, also, wie funktioniert U-Bahn in Stockholm? Sehr gut! Sehr gut, obwohl U-Bahn hier gar nicht so einfach geht. Auch hier werden noch Fahrer*innen benötigt. Trotzdem ist die Taktung angenehm intensiv. Ich konnte zwei Generationen Züge erleben. Alles funktional und top in Schuss. Aufkleber, die auf defekte Türen hinweisen, sucht man hier vergebens. U-Bahnstationen sind hier vermutlich schnell gebaut. Man muss nicht erst den Boden öffenen, sondern bohrt einfach durch den Fels. Die Decke trägt sich von selbst. Solche U-Bahnhöfe würden ohne weitere Gestaltung ziemlich trist erscheinen. Die Schweden haben lange, dunkle Winter. Da möchte man wenigstens in der U-Bahnstation ein wenig Sonne erleben. Jede Station in Stockholm ist anders. Das möchte ich dokumentieren. Ich fange am Abend des zweiten Tages an und werde erst am späten Vormittag des folgenden Tages wieder ans Tageslicht treten. (O.k. dazwischen war ich mal kurz im Hotel.)

geografische Einordnung:


erreichte Gipfel:

weitere Wegepunkte:

Talort(e):


Schwierigkeiten:

Höhendifferenz Aufstieg/Abstieg:

Distanz:


Zeitbedarf inkl. Pausen:

Schweden, Hauptstadtregion


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Stockholm


Wandern: T1       Klettern UIAA: -/-        Klettersteig: -/-         Schneeschuhe: -/-

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T-Centralen - in allen Farben


Hier kreuzen sich die rote, grüne und blaue Linie. Die T-Centralen ist eine unterirdische Stadt unter der Stadt. Man kann hier wirklich weit laufen und viel entdecken.

Die ältesten Gestaltungsmerkmale sind gekachelte Wände, die ca. 1970 so eingerichtet wurden. Kacheln sind immer noch besser als nakter, grauer Fels.

Die blaue Linie erhält natürlich eine blaue U-Bahnstation. Die Touristen fahren voll drauf ab. Ein Asiatin hält mir einen Ausdruck mit dem Bild des blauen Bahnhofs unter die Nase. "Where is this, I must go there?" Leider wusste ich das zu dem Zeitpunkt noch nicht. Aber hallo, warum hält man mich eigentlich in jeder U-Bahnstation der Welt für den kompetenten Auskunftgeber? Hab ich da was auf der Stirn? Steht da Auskunft?

Stadion - die Regenbogenstation


Mit der roten Linie geht es nach Norden. Woher ich das weiß? Nun auf jedem Bahnsteig ist eine Nord-Süd-Achse eingezeichnet. Trotzdem steige ich machmal noch in den falschen Zug. Warum? Nun die Züge in Schweden haben Linksverkehr. Ich stehe einfach oft auf der falschen Seite der Station.


In dieser Station ist der Himmel blau und wird von einem Regenbogen geschmückt. Bunt macht eben glücklich!

Tekniska Högskolan - Ingenieure und Kunst passen nicht zusammen


Hätte ich mir denken können. An der Technischen Hochschule hatten Nerds die Finger im Spiel. Strenge geometrische Formen und ein sehr unvollständiges Modell des Sonnensystems "schmücken" die Station. Saturn fehlt der Ring!


Ich fühle mich hier nicht ganz so wohl. Das Thema Technik könnte man homogener Abbilden als in diesem Sammelsurium verschiedener Farben und Formen. Tekkies können eben alles außer schön...

Universitet - die Tunnelbana als Spickzettel


An der Station Universitet fährt die Tunnelbana in einen riesengroßen Spickzettel ein. So ziemlich jedes wissenschaftliche Thema wird auf großen, gekachelten Tafen skizziert. Spannend welche Zusammenhänge dabei entstehen.

Als Fotograf könnte ich lediglich über die gewölbten Tafeln klagen. Die Bilder sehen oft so aus, als ob das Objektiv verzeichnen würde. Aber das wäre dann eher ein Thema für die Station Tekniska Högskolan...

Odenplan - nur ein Zwischenstopp


Ich bin mittlerweile auf der grünen Linie unterwegs nach NW. Leider fährt mein Zug zunächst nur bis Odenplan. Dort ist dann erstmal Slutstation. Ob Engländer dieses schwedische Wort misverstehen?

Thorildsplan - Aufwachen im Videospiel


Die Station liegt über der Erde. Man steigt aus und muss sofort Pac-Man ausweichen, weil es sonst aus Wolken regnet. Zum haben hier auch die Frösche ein Herz...

Hötorget - Schwedendisco


In Hötorget anzukommen ist wie eine Zeitreise. Die Beschilderung , die Bestuhlung, die gesamte Gestaltung sind auf alt getrimmt. Und dann schaut man an die Decke: Neonlichter setzen völlig diametrale Akzente. Wenn sie jetzt noch ABBA über die Lautsprecher einspielen würden, dann wäre die Schwedendisco perfekt. Und ich hab meine Schlaghosen vergessen...

Kungsträdgarden - antikes Schweden


Was man unter der Erde begraben findet, soll auch unter der Erde bleiben. So könnte man das Motto dieser Station beschreiben.

Solna Centrum - eine schwedische Geschichte


Solna Centrum zeigt eine schwedische Bildgeschichte. Darin ist aber auch viel Kritik am Verlust von Natur durch den immer weiteren und zerstörerischen Vorstoß der Menschen enthalten.

Mich würde ja interessieren, wie der Kampf Elch gegen Mensch ausgeht.

Und dann ist da noch die Frage, ob in schwedischen Fragebögen zur theoretischen Fahrprüfung folgende Aufgabe zu finden ist:


Womit rechen sie in dieser Situation?

a) Köttbullar  b) einer Tram mit Flügeln  c) einem Elchkind


Rot und grün im Verhältnis 1:1. So haben wir das auch im Kunstunterricht gelernt!

Radhuset - der Weg zurück ins Licht


Hier gehören die Schuhe nach oben an die Decke. Und auch ich bewege meine Schuhe nach oben. Mein Ausflug in die Unterwelt der Tunnelbana endet hier und jetzt.

Eine Bilanz: Anstelle von grauen und dunklen Einheitshaltestellen haben sich die Stockholmer ihre Unterwelt bunt und vielfältig gestaltet. Perfektion war dabei offensichtlich keine Zielsetzung. Vielmehr steht der Spaß im Vordergrund. Der Spaß und auch die Abwechslung sowie Vielfalt. Spaß hilft durch dunkle Zeiten und in dunkle Tunnel.

Es gäbe noch mehr zu entdecken, aber jetzt werden die pünktlichen und zuverlässigen Tunnelbana irgenwie langweilig...


Zing • 8. März 2025