SST Wurmtaler Kopf
Es ist warm, schon gleich am Morgen. Es soll noch wärmer werden. Alles ist möglich, Schneebretter am Morgen und Nassschneelawinen am Nachmittag, LWS3. Wir wählen unser Tagesziel daher mit Bedacht und entscheiden uns für den Wurmtaler Kopf mit seinem langen und eher flachen Anstieg durch das Rifflbachtal.
Wir bewegen uns im Schmodderschnee auf der Südseite des Riffelsees entlang und sind froh, als wir endlich die verharschte Skispur erreichen. Jetzt geht es schneller dahin. Berni prescht voran und wird beim Überholvorgang gleich von einer einheimischen Skitourengeherin angepöbelt. "Der macht ja die ganze Spur kaputt!" Nun, das ist im Schatten, bei einem festen Harschdeckel zwar kaum möglich bzw. nachweisbar, aber ein Feindbild muss halt ordentlich gepflegt werden.
Der uns folgende Schneeschuhgeher mit der Gitarre im Rucksack - ach, das ist ein Snowboard? - hat sich schließlich auch nicht beschwert...
Ein defensiver Anstieg in flachem Gelände ist sicher, aber ganz sicher auch sehr ermüdend. Wir brauchen ewig, bis wir den Gletscher erreichen. Wir seilen uns vorsichtshalber an. Ich bekomme von Berni einen Anschiss, weil mein Rucksack dabei im Dreck lag und ich dann später - oh Gott, oh Gott - alles an der Hosen kleben haben würde ... sollte ... könnte. Also nochmal absetzen und mit Schnee putzen. (Ob er mir beim Nachsteigen auf den Hintern schaut? Muss ich mir Gedanken machen?)
Jetzt gewinnen wir immerhin schneller Höhe. Dafür bläst der Wind böig aus allen beliebigen Richtungen. Es gibt kleine Wirbelstürme im Triebschnee.
Den NW-Grat lassen wir tatsächlich links liegen. Die Spur führt immerhin nach rechts auf den W-Grat. Trotzdem lasse ich mich von Berni zu einer direkten Variante überreden. Hier im Schmodderschnee auf losem Grund zwischen brüchigen Felsen fühlt jedoch nur Bernhard sich wirklich wohl. Ich protestiere bereitwillig und wir sehen unseren Fehler ein, gelle? So geht es auf dem Normalweg in einer verblasenen Spur aufwärts zum Grat.
Dort wartet schon unsere neue "Skitourengeherfreundin" von heute früh auf uns. Ich musste Berni, dem Skispurenzerstörer, dann auch später in die Hand schwören, dass ich die bloß nicht gegrüßt habe! Hab ich auch nicht.
Der lange Aufstieg zum Wurmtaler Kopf lohnt sich in jedem Fall, allein der Aussicht wegen. Wir können unsere begehrten Ötztaler Eiswände bestaunen. Der Blick reicht tief bis in die Schweiz. Auch die Stubaier Alpen reihen sich abzählbar am Osthorizont auf.
Dann geht es leider wieder an den Abstieg. Der Schnee ist irgendetwas zwischen Bruchharsch und Sulz, vielleicht auch beides zugleich. Die Hose ist zu warm, die Gamasche zu kaputt. Bei diesen Bedingungen sehen weder Skifahrer noch Schneeschuhgeher sehr elegant auf. Hauptsache abwärts!
Berni ist mir meilenweit voraus. Da fällt mir noch die Schokoladentafel im Rucksack ein. So kann ich ihn kurzzeitig bremsen. Zum Schluss liegen ich eine halbe Stunde zurück. Fünfzig Meter vor der Riffelseehütte hängt mir dann auch noch eine Pistenraupe am Stahlseil im Weg herum. Ich warte ewig, bis das Ding vorbei ist. Doch dann hat auch dieser lange Hatscher sein glückliches Ende gefunden.
Bei einem braun gebackenen Cordon Bleu sieht die Welt doch gleich viel rosiger aus...