SST Gr. Tanzkogel & Gerstinger Joch

Weite Runde im zahmen Gebirge?

Als ich die Schneeschuhtour auf den Großen Tanzkogel plane, schweift mein Blick auf der Karte nach Norden und Süden ab. Scheinbar sanfte Gipfel reihen sich aneinander und laden dazu ein die Tour weiter auszudehnen, im Norden z.B. bis zum Brechhorn oder im Süden zum Westerachkopf. Jedoch sind die Kitzbüheler Alpen unter den stillen Lehrmeistern die meisterlichsten. Die langen Kammlinien werden von den langen Tälern durch steile Hänge getrennt. Der Zustieg ist oft eine Bergtour für sich allein. Die auf der Karte sanften Kammlinien erfordern zahlreiche Gegenanstiege und sind oft von morschen, steilen Felsriegeln durchsetzt.
Daher bleibe ich in meiner Planung defensiv. Das Hauptziel soll der Große Tanzkogel sein. Und wenn dann noch etwas weitergeht, dann vielleicht das Gerstinger Joch im Norden. Vielleicht doch bis zum Brechhorn? Ruhig Brauner…

geografische Einordnung:


erreichte Gipfel:

weitere Wegepunkte:

Talort(e):


Schwierigkeiten:

Höhendifferenz Aufstieg/Abstieg:

Distanz:


Zeitbedarf inkl. Pausen:

Kitzbüheler Alpen


Gr. Tanzkogel 2.097m, Kl. Tanzkogel 1.974m, Gerstinger Joch 2.035m

Stallbach Hochalm 1.696m

Aschau i.T.


Wandern: -/-         Klettern UIAA: -/-          Klettersteig: -/-           Schneeschuhe: WT3

1.340m / 1.340m

18,8km


9h27m

Während der Anfahrt nach Aschau beschleichen mich schon Zweifel, ob der Schnee überhaupt für einen Schneeschuhtour ausreicht. Die Hänge sind grün, die Straße schneefrei. Langsam rolle ich auf den Parkplatz bei der Mautstelle zum Unteren Grund zu. Die Schranke ist unten. Das bedeutet Schnee ab der Schranke. Sehr schön.


Hinweisschilder weisen bereits den Großen Tanzkogel aus. 4,25 Stunden! Auf der Karte waren es doch nur ein paar Zentimeter. Was soll daran so lange dauern?
Als ich die Brücke über die Unterer-Grund-Ache zu den Wirtsalmen passiere, wird die spätere Ausdehnung der Tour bis zum Brechhorn bereits ad absurdum geführt. Gesperrt! Wildschutzruhezone! Kameraüberwachung! Wollte man das umgehen, müsste man 3,7 km Umweg in Kauf nehmen. Bis zum Gr. Tanzkogel sind es von hier aus immer noch 3,75h. Was soll daran nur so lange dauern?

Der Weg durch den Unteren Grund ist lang. Bis zur Karalm sind es von der Mautstelle aus mehr als 4,5 km und man gewinnt lediglich 230 Hm. Dann sind schon 1,25 Stunden herum! Gedanklich führt meine Tour nur noch auf den Tanzkogel.


Es folgt der zehrende Aufstieg von der Stallbach Grundalm zur Stallbach Hochalm. Die rund 400 Hm führen durch Wald, durchsetzt von einigen Schneisen. Die einzigen vorhandenen Spuren stammen von Reh, Gams, Hase und Fuchs. Erstaunlich wie gut sich die Viecher auch in den tief eingeschneiten Schneisen an den Weg halten. Leider bringen mich die Tierspuren nicht wirklich schnell voran. Die Spurarbeit zerrt an den Kräften. Nach zweidreiviertel, eher drei Stunden Gesamtgehzeit erreiche ich endlich die Stallbachhochalm. Zeit für eine Brotzeitpause, also nicht Pause von der Brotzeit, sondern mit einer Brotzeit…

Ich bewundere einen weiten und weißen Buckel im Westen. Den halte ich fälschlicherweise zunächst für der Gr. Tanzkogel. Es ist aber der Schwarzkarkogel. Ich drehe mich weiter nach rechts um. Über diesen steilen Hang soll ich die flachere Kammlinie, die zum Tanzkogel führt, erreichen? Auf den folgenden 100 Hm beträgt die Hangneigung mehr als 35° (WT3). Die Sonne macht den Schnee schon schmodderig. Erst nach 20 Minuten legt sich das Gelände zurück und der Gipfel des Gr. Tanzkogel wird sichtbar. In mühevoller Kleinarbeit geht es weiter. Die Grenze zwischen fluffigem Triebschnee und tragendem Harschdeckel ist nicht immer offensichtlich. Also tappe ich öfter in die Falle und werde ausgebremst. Endlich erreiche ich das Gipfelkreuz.


Gerade als ich mit dem Fotoprogramm beginne, gesellt sich ein einzelner Skitourengeher hinzu. Als er meine Schneeschuhe sieht, begreift er meine von der Skispur deutlich abweichende Routenwahl direkt auf der Kammlinie entlang. Wir unterhalten uns recht nett. Mit seiner tiefen, rauhen Stimme rät er mir von meinen Ambitionen auf das Gerstinger Joch ab. „Des schaffst du nie. Do kummst du zu spat abi!“ Ich überlege und starre wie gebannt auf den Rotz an seiner Nase. Hoffentlich tropft der nicht auf meine Sachen…


Wir verabschieden uns und gehen bzw. fahren getrennter Wege hinab ins Tal. Naja, Tal? Als ich am Kleinen Tanzkogel vorbei bin, wittere ich Morgenluft. Das Gerstinger Joch hole ich mir doch noch. Eine sehr alte Skispur trägt besser als der weiche Schnee. Das Gelände wird abrupt steiler. Nur noch 40 Hm, der Hang hat hier 40° und wenig Grip (WT3). Lediglich eine eisge Schicht bedeckt noch den Hang. Auf allen Vieren kämpfe ich mich höher. Ganz plötzlich geht die Steigung zurück und vor mir tut sich der Abgrund des jenseitgen Hanges auf. Ich Blicke nach rechts zum Gipfelkreuz und zum Gr. Rettenstein. 50 Minuten hat der Übergang von Gr. Tanzkogel zum Gerstinger Joch in Anspruch genommen.

Ich genieße die warme Nachmittagssonne. Die hochnebelartige Bewölkung hat sich verzogen. Man könnte es hier länger aushalten, aber in 10 Minuten ist die Bingo-Zeit (14:00 Uhr) erreicht.


Über den schmalen Grat trete ich den Abstieg an. Und der soll noch lange dauern. Die Skifahrer haben den Hang bereits ordentlich abgefahren – besser abgerutscht – und die fluffigen Schneeflächen für einen eiligen Schneeschuhabstieg fehlen oft. Als ich die Haglangeralm erreiche, glaube ich schon, das Gröbste hinter mir zu haben. Schlimmer geht immer! Im Bereich der Labalm ist der Schnee dünn, eine wässerigen Schicht auf Eisplatten. Die Eisplatten haben kaum noch Bindung zum Untergrund. Wenn man hier nicht die Schneeschuhe ordentlich in den Boden stampft, dann kommt es zum unfreiwilligen Spagat im steilen Almgelände. Drei Mal stürze ich. Noch nie war ich so froh, endlich den langen Talhatscher zu erreichen.
Ich schnalle die Schneeschuhe ab. Nur auf Schuhen geht es hier schneller weiter. Nach neuneinhalb Stunden erreiche ich wieder die Mautstelle und damit den Ausgangspunkt dieser fast 19 km langen Runde.


Jetzt und hier am Computer fällt es mir schwer aus den fast 60 Bildern die gemäß Projekt 12 erlaubten zwölf Bilder auszuwählen. Irgendwann habe ich eine für mich stimmige Bilderserie zusammengestellt. Wer mehr sehen möchte, muss selber nachschauen!


Ich träume von einer langen Linie, die vom Gamsbeil bis zum Brechhorn reicht…


Zing • 2. März 2023