Buchbesprechung - Die Hyperion-Gesänge
Eine Space Opera von Dan Simmons
„Die Hyperion-Gesänge“ werden innerhalb der Science Fiction dem Subgenre der Space Opera zugerechnet. Ich persönlich empfinde das jedoch als unzureichend. Anders als in „Dune“ oder der „Foundation Trilogie“ wird hier nicht nur ein phantasievolles Bild der Zukunft als Kulisse für die ewige „Kabale und Liebe“ geschaffen. Dan Simmons gelingt es vielmehr die Vergangenheit mit vielen möglichen Varianten der Zukunft zu verbinden.
Man tut gut daran, bei der Lektüre der „Hyperion-Gesänge“ immer ein Lexikon (oder wikipedia) zur Hand zu haben. Dan Simmons baut nämlich immer wieder Anspielungen auf unsere Vergangenheit oder Gegenwart ein, sei es durch die Verwendung von Namen von Personen, die tatsächlich gelebt haben (John Keats, Joseph Severn uvm.), oder macht Anspielungen auf die bisherigen Verfehlungen der Menschheit (der große Fehler, die Ausrottung ganzer Ökosysteme). „Die Hyperion-Gesänge“ entwerfen so nicht nur das Bild einer Zukunft der Menschheit, sondern eröffnen auch den Blick auf uns selbst und unsere Gegenwart. Selbst vor so komplexen Themen wie Philosophie, Religion oder der Frage, wer oder was Gott ist, macht Simmons dabei nicht Halt.
Angenehm finde ich, dass sich „Die Hyperion-Gesänge“ nicht unnötig in epischen Erläuterungen und Darstellungen neuer Technologien der Zukunft verlieren. Dan Simmons lässt seine Leser genau so viel wissen, wie gerade erforderlich ist, um das dargestellte Bild der Zukunft zu verstehen.
Wer z.B. nicht mit dem Raumschiff fliegen und dabei Zeitschuld ansammeln möchte, der nimmt eben den Farcaster. Das ist so, als ob man durch eine Tür geht. Nur werden hier ganze Welten in einem die Galaxie umspannenden Netz miteinander verbunden, und das instant, quasi ohne Zeitverzug. Wie funktioniert nun so ein Farcaster? Weiß ich doch nicht, ist eigentlich auch völlig egal…
Wer schnell kommunizieren möchte, verschickt die Botschaft einfach über Fatline. Das nenne ich mal eine technische Metapher allererster Kajüte. Nicht Bandbreite, AES128-Verschlüsselung, Multiband-Transmission, 5G usw., sondern Fatline-Kommunikation.
Die Menschen in Dan Simmons Bild der Zukunft haben durch Implantate jederzeit Zugang zur Datensphäre und zu Information. Ein eingeschränkter Zugriff auf die Datensphäre ist für die Menschen hingegen eine Qual. Damit nimmt Dan Simmons übrigens eine Entwicklung vorweg, die man nur schwerlich zum Zeitpunkt des Entstehens der „Hyperion-Gesänge“ hätte vorhersehen können. Zu dieser Zeit gab es weder das Internet noch Smartphones. Es ist lustig anzusehen, wie die übrigen S-Bahn-Kunden nervös auf ihrem externen Flachhirn herumtippen, wenn wir gerade mal wieder ins Funkloch fahren, während man selbst gerade eine Seite in den „Hyperion-Gesängen“ umblättert…
„Die Hyperion-Gesänge“ sind m.E. eher Future Science als Science Fiction. Dan Simmons hat ein Botschaft und diese vermittelt er vor dem Hintergrund einer Kulisse der Zukunft.
Dabei gelingt es Simmons den Spannungsbogen über die gesamten fast 1.400 Seiten aufrechtzuerhalten. Die vorletzten Geheimnisse werden auf der vorletzten Seite aufgelöst. Die letzten Geheimnisse werden auf die Fortsetzung „Endymion“ vertagt…
„Die Hyperion-Gesänge“ waren mir ein absoluter Lesegenuss. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung, wenn die Tage wieder kürzer werden…