Rumble in the Karwendel - Tag 4

Wilde-Bande-Steig

Als ich aufwache, befinde ich mich in der Dusche bzw. vor den Duschkabinen. Die Duschkabinen selbst sind besetzt. Als ich rufe 'werdet bald mal fertig ihr Spacken', drehen die erst recht das Wasser auf. Es prasselt noch lauter und das Licht wird zusätzlich greller...
Als ich ein zweites mal aufwache, befinde ich mich in dem Bett, in das ich mich am Abend zuvor zum Schlafen gelegt habe. Das Fenster steht offen und gibt den Blick auf eine verregnete Landschaft frei. Irgendwer dreht den Hahn gerade nochmal so richtig dolle auf.
Das kann ja heiter werden. Wir wollen heute nämlich über den Wilde-Bande-Steig und das Stempeljoch zur Pfeishütte.  Über den Wilde-Bande-Steig haben wir schon Schreckliches gehört. Das klingt nach einem rechten Weiberschreck, pardon, Weiber*innenschreck...

geografische Einordnung:


erreichte Gipfel:

weitere Wegepunkte:

Talort(e):


Schwierigkeiten:

Höhendifferenz Aufstieg/Abstieg:

Distanz:


Zeitbedarf inkl. Pausen:

Karwendel - Gleirsch-Halltal-Kette


-

Lafatscher Joch 2.080m, Stempeljoch 2.215m

Hallangerhaus, Pfeishütte


Wandern: T3+         Klettern UIAA: -/-        Klettersteig: -/-         Schneeschuhe: -/-

630m / 460m

8,5km


03h25m

Der Abschied vom Hallanger fällt uns nicht schwer. Die Durchschlageoperation durch den Durchschlag und weiter in das Lafatscher Joch schon eher. Wir sind so schnell unterwegs, wie es uns der Regen erlaubt. Die schlanke Holzfigur im Joch hüllt sich weiter in kühlen Nebel. Ein Hinweisschild zur Speckkarspitze weckt die Sehnsucht in mir. Unerfüllte Sehnsucht kann aber auch schnell in Frust umschlagen...


Wir biegen in den Wilde-Bande-Steig ab. Zunächst ist der recht harmlos. 'What is all the fuzz about?' Nur als wir auf einen Graben zusteuern, wird uns plötzlich klar, dass die Gemütlichkeit hier ein Ende findet. Es gilt einen Einschnitt im Fels zu überwinden. Ein paar Meter geht es an Klammern und Stiften abwärts. Drüben geht es dann an Klammern und Stiften, na was schon, auch wieder aufwärts! Bei Trockenheit kein Problem. Jetzt, bei strömendem Regen schon ein kleines Abenteuer. Ich lasse mich sogar zu Farbfotos hinreißen. Das sieht recht wild aus. Zuhause darf Drea ihren Leuten solche Bilder gar nicht erst zeigen...


Es gibt noch einige abweisende Stellen im weiteren Verlauf des Wilde-Bande-Steiges. Alles ist nass. Vorsicht ist geboten. Nur die Lurche fühlen sich wohl.


An seinem Ende geht der Wilde-Bande-Steig direkt in den Geröllkegel, der vom Stempeljoch herabkegelt, über. Unter einem großen Felsdach kann man sich kurz vorm Regen schützen und etwas durchschnaufen. Die Glasoberflächen der Kamera beschlagen, und das meist von innen. Der Sucher ist schon fast blind und das Filter muss mehrfach unter dem Regenschutz von Dreas breitem Torso abgeschraubt und trocken geputzt werden. Mittlerweile weiß ich, dass man den Taubeschlag in Kamera oder Objektiv 'fogging' nennt.  Aber weil es einen Namen hat, gibt es noch lange keine adäquate Lösung dafür! Spucke? <kopfschuetteln> Oh, nein! </kopfschuetteln>.


Zum Stempeljoch geht es steil aufwärts. Das Joch selbst kann man noch nicht einsehen. Die Wolken sind einfach zu dicht. Im Geröll steigt man zwei Schritte aufwärts, um dann mindestens wieder einen halben Schritt zurückzurutschen. Wolken und Regen haben aber auch ihr Gutes. Man stelle sich diesen Geröllkampf nur bei tadellosem Sonnenschein vor. Da staubt es bestimmt gewaltig...

Wir treffen auf so einige Leute, die uns von oben entgegen kommen und über den Wilde-Bande-Steig zum Hallanger möchten. Bei einigen können wir uns das nicht recht vorstellen. Mehr als ein kurzer Hinweis ist aber nicht drin. Ob die wissen, dass es keine leichtere Exit-Option gibt? Man kann denen auch T3 sagen. Wahrscheinlich denken dann aber nur an einen kantigen VW-Bus...


Das Stempeljoch lädt nicht zum Verweilen ein. Man sieht nichts. Man hört nur den Wind heulen. Man ist nur noch nass bis auf die Knochen. Also weiter zur Pfeishütte, die von hier aus immerhin noch 45 Minuten entfernt sein soll.


Wir betreten die Hütte über den Trockenraum und greifen uns die besten Kleiderbügel. Die Goretex-Jacke ist von innen noch nasser als von außen. Ich hoffe, dass das wirklich nur Regen und Schweiß ist. Bei der Vergabe der Schlafplätze haben wir Glück und jeder bekommt zwei Lagermatratzen zum Preis von einer, quasi King-Size-Matratzenlager. Die haben in der Pfeis eine hervorragende Kaffeemaschine, die wir für den Rest des Tages ausgiebig nutzen. Nachmittags klart es sogar kurz auf und wir können auf der Terrasse herumoxidieren. Ich bin kurz davor mir einen Fiaker zu bestellen...


Es kommt zum unausweichlichen Kartenspiel. Heute erfindet Drea ein neues Spiel, das mich an Patiencen legen erinnert, oder an Wahrsagerei... Oh wie gerne würde ich jetzt einfach nur irgendwelche Feldgleichungen lösen. Zum Glück erlöst mich das Abendessen. Pasta Bolognese mit Nachschlag. Ich bin zufrieden und satt. Gluten- und geschmacksfreies, vegetarisches Chili wäre die absurde Alternative gewesen.


Und morgen soll das Wetter besser werden...


Zing • 20. August 2022