Klettertour Hochschwab Südwand "Baumgartner"

Little Big Wall

Wir möchten heute die Hochschwabsüdwand durchsteigen. Zunächst hatte ich dafür eher defensiv die "Domenigg" ausgesucht. Unser neuer Bekannter hatte uns jedoch zur "Baumgartner" geraten. Die sei nur unwestentlich schwieriger als die Karlmauernordwand und der Fels sei viel besser.

Ich lasse mich vom Topo im hütteneigenen Kletterführer überzeugen und fotografiere die Route mit dem Handy ab. 10-11 Seillängen sind kein Pappenstiel. Dann eben doch die "Baumgartner"!

geografische Einordnung:


erreichte Gipfel:

weitere Wegepunkte:

Talort(e):


Schwierigkeiten:

Höhendifferenz Aufstieg/Abstieg:

Distanz:


Zeitbedarf inkl. Pausen:

Hochschwab


Hochschwab 2.277m

Voisthalerhütte

Wanderparkplatz Seewiesen


Wandern: T3       Klettern UIAA: III        Klettersteig: -/-         Schneeschuhe: -/-

670m / 1.380m

16,1km


9h15m, davon 3h Klettern

Der Zustieg fällt heute etwas länger aus. Zunächst muss der Trawiessattel gewonnen werden. Ein Steinbock schaut uns teilnahmslos dabei zu. Dann steigt man sogar etwas ab, bis man endlich den Hauptweg verlassen und eine große Mulde unter der Hochschwabsüdwand umrunden kann.


Was ich nicht alles für die richtige Route halte. Wolfgang lässt sich auch immer überzeugen. Ich sollte in den Kletterroutenvertrieb gehen...

Dann endlich passen die Strukturen der Wand mit dem Handytopo überein.


Über Schutt und Schrofen kämpfen wir uns mühsam vor. Die Helme haben wir dabei schon langst aufgesetzt. Dann aber am Fuß einer breiten Rinne finden wir die versprochene Drahtseilschlinge in einer Sanduhr. Das ist der Einstieg. Er muss es sein.


Auf kleinstem Raum seilen wir uns an und ziehen die Kletterpatschen über.


Ich überprüfe nochmals das Handy, das jetzt mein Gesicht kennt und mir ein Topo entgegenstrahlen soll, wenn es sein Herrchen erkennt. Praktisch.

Die erste Seillänge führt durch die breite Rinne nach oben (ich weiß, sie wird kaum nach unten führen). Nicht schwer, höchstens II, genau richtig, um ins Klettern zufinden.


Die zweite Seilllänge wartet bereits mit kleineren Tritten und Griffen auf. Es geht an der linken Seite der Rinne vorbei an der rechten Seite eines Pfeilers. Direkt dahinter ist ein kleine Scharte mit dem Stand. Bis hierher II, Stellen III-.


Wie gut, dass ich noch nicht weiß, was mich in der dritten Seillänge erwartet. Das Topo zeigt nur wenige Details. Rauf - links - rauf - links - bisschen rauf - Stand. III.

Es wird plattig. Sehr unangenehm. Es gibt nur wenige, gute Griffe. Dann soll ich scharf nach links auf einen sehr schmalen Sims abbiegen. Da gibt es gar nichts für die Hände. Ich versuche lieber etwas höher zu kommen. Wolfgang gibt den klugen Ratschlag, dass ich doch nach links zum Bolt (in der paltten Wand) müsse. Und ich denke mir, dass eine andere Idee sehr schön wäre. Als die Schwierigkeit auf IV ansteigt, sehe ich ein, dass das keine Alternative ist. Ich muss zurück und über den Sims.

Ich presse meinen Bauch an die Wand und strecke die Hacken so weit wie möglich über den Abgrund. Seitwärts taste ich mich über den Sims, ohne die Hände zu benutzen. Ich erreichen die Zwischensicherung und fummle mit größter Vorsicht die Exe vom Gurt. Wenn ich jetzt abfliege, dann wenigstens nicht mehr als 10-Meter-Pendel.


Acht Meter weiter am nächsten Stand ist mein Gaumen knochentrocken. Ich hänge an der Selbstsicherung und winke Wolfgang mit beiden Händen zu. "Stand", könnte ich gerade nicht mehr rufen...

Die nächste SL führt nochmals über eine unangenehme Plattenstelle (III-) aufwärts, um dann unvermittelt scharf über 30m ohne jegliche, weitere Zwischensicherung in Schrofengelände (I+) abzubiegen. Es gibt die Möglichkeit zum Zwischenstand nach dem kurzen Aufschwung. Ich kann Wolfgang ohne Diskussion davon überzeugen. Wer weiß denn schon, wie dolle man ein Seil über 30 Meter Schrofen ziehen müsste?


Wir stehen am Stand unter dem Wulst. Der Standplatz ist nicht so sehr exponiert. Endlich trinken wir etwas.

Über Platten geht es von hier aus ein letztes Mal sehr luftig um den Wulst herum. Die Kletterschuhe sind sehr nützlich und man findet gute Griffe vor. Zuletzt war diese III- gar nicht schlimm, sondern sehr schön.


Es sind nur noch fünf Seillängen bis zum Austieg. Die Schwierigkeiten und die Ausgesetztheit halten sich jetzt in Grenzen. Die innere Uhr sagt mir jedoch, dass wir auf den letzten sechs SL ganz schön viel Zeit gebraucht haben. Deshalb drücke ich auf die Tube.


Vielleicht bin ich deshalb auch etwas unaufmerksam, jedenfalls finde ich in den leichteren Passagen (I+ - II+) nicht alle Zwischensicherungen. In einer 25-Meter-Schrofenseillänge (I+) ruft Wolfgang 7 Meter vor dem Standplatz die Seilmitte aus. Wir haben ein 50-Meter-Seil!


Endlich stehe ich am letzten Standplatz vor dem Ausstieg. Es kommen nochmal 30m, III-. Der Fels wird nochmal steiler und Wolfgang beeindruckt mich mit der Bergsteigerweißheit des Tages: "Typisch, zur letzten Seillänge wird es immer nochmal steiler."

Gerade das 'immer' möchte ich nicht unterschreiben...

Die letzte Seillänge lässt sich herrlich klettern und ist ein Schmankerl zum Abschluss. Beim Stand am Ausstieg weht mir dann jedoch ein ganz anderer Wind entgegen. Das sind ca. 50 km/h. Weil die letzte Seillänge ja 'immer' nochmal so steil ist, sehe ich Wolfgang nicht mehr. Der Wind ist so laut, dass ich auch nichts anderes mehr hören kann. Ich brulle Stand in die Südwand und zeihe das Seil zweimal kurz an. Es bewegt sich etwas und ich kann ca. 8m Seil einholen. Irgendwann geht es langsam weiter. Wolfgang kommt nach.


Wir gehen gemeinsam auf die Wiese weiter, bis der Wind nicht mehr so arg bläst. Dort sortieren wir uns und die Ausrüstung.


Das Gefühl für Zeit habe ich völlig verloren. Der Stand der Sonne, die Farbe der Wiese und mein Grad der Erschöpfung lassen mich auf nach drei Uhr Nachmittag kommen. Ich überlege schon, wie wir Elisabeth erklären, dass wir wieder mal zu spät dran sind.

Wolfgang schaut schaut auf die Uhr. Dreiviertel eins!

Wir haben für die 11 Seillängen doch nur drei Stunden benötigt und somit noch fast den ganzen Tag vor uns.


Eine kurze Zwischenbilanz: Außer für Notfälle oder den einen Zwischenstand hätte man weder Klemmkeile, Friends oder Schlingen benötigt. Die Standplätze sind allesamt vorblidlich ausgebaut. Ein 50-Meter-Seil reicht aus. Der Abseilachter war auch nur für den unwahrscheinlichen Fall der Fälle dabei. Wobei ich persönlich zugeben muss, dass mir während der dritten Seillänge kurz das Wort 'Hubschrauberrettung' durch den Kopf gegangen ist...


Jetzt aber genießen wir erstmal die Aussicht vom Hochschwab. Bis zum Hohen Dachstein kann man im Westen schauen. Der gewaltige Ötscher beherrscht die Voralpen im Norden. Im Osten schließen sich Rax und Schneeberg an. Da muss ich auch noch hin!

Wir machen keine lange Pause auf dem Gipfel. Ob man den Hochschwab auch mal bei Windstille erleben kann?

Wir machen uns an den langen, jedoch einfachen Abstieg zur Voisthalerhütte, wo unsere Zahnbürsten darauf warten wieder von uns eingesammelt zu werden.


Wir sind dehydriert und Wolfgang fabuliert von der "kleinen Bigwall". Damit habe ich schon einmal den Untertitel für diesen Tourenbericht.


Zing • 7. September 2023