Klettersteig Col Rodella

Schneller als die eigene Angst

Klettersteige sind einfach nicht mein Ding. Ich habe Alpträume, in denen ich beim Sturz im Klettersteig mit der Augenhöhle an einem Stahlstift hängen bleibe und anschließend mein Testikel mit dem scharfen Drahtseil abgetrennt wird. Ich wache schweißgebadet auf...

Heute ist der Tag der Abreise. Zuvor wollen Schorsch und ich jedoch noch den 'kurzen' Klettersteig auf den Col Rodella probieren. Der KS zieht durch die nur ca. 110m hohe Südwand des Col Rodella. Zwar gab es gestern noch sehr viel Regen, aber heute müsste eigentlich alles wieder trocken sein. Also ziehe ich los und stelle mich meinen Ängsten...

geografische Einordnung:


erreichte Gipfel:

weitere Wegepunkte:

Talort(e):


Schwierigkeiten:

Höhendifferenz Aufstieg/Abstieg:

Distanz:


Zeitbedarf inkl. Pausen:

Dolomiten - Sella-Gruppe


Col Rodella 2.484m

-/-

Rif. Carlo Valentini


Wandern: T2       Klettern UIAA: -/-        Klettersteig: C/D (Topo)        Schneeschuhe: -/-

220m/220m

-/-


3h30m

Ein Murmelteir posiert vor der Marmolada. Die Aussicht ist famos. So kann ich mich zumindest etwas ablenken. Doch dann nähern wir uns immer mehr dem Einstieg und das mulmige Gefühl in der Magengrube steigt wieder empor. Ein Schotte und eine Schwedin sind schon am Einstieg als wir eintreffen. Ich habe leider gar keinen Kopf für einen Plausch mit dieser interessanten Human-Kombination...


Ich bitte Schorsch, dass er mich vor lässt, damit er nicht einfach im Momemt höchster Not davonzieht und nie mehr gesehen wurde.

Es geht gleich mit einer ganz kurzen C/D-Stelle los. Wider Erwarten ist die Wand nass. Die climbing zone der Schuhe findet keinen rechten grip. Das kann ja noch lustig werden. In der Folge muss man immer wieder kräftig ins Seil langen. Ob meine Kräfte bis ganz oben durchhalten? Ich werde schneller, damit ich es schneller hinter mir habe. Die richtigen Schmankerl kommen jedoch erst noch.


Unter einem Überhang quert man nach links und dann weit auf eine Klammern-Leiter hinüber spreizen. Die Klammern hören dann jedoch auf und man muss über eine glatte Platte schleichen. Je länger ich zögere, desto mehr spüre ich wie die Kraft in den Händen nachlässt. Ich gebe mir einen Rück und schwinge wie ein Äffchen am Wollfaden weiter durch die glatte Flucht.

Dann folgt die 'luftige Querung' (siehe Link zum Topo). Zu meinem Schrecken ist die komplett nass. Ich krame das letzte bisschen Physik, das mir noch einfällt, aus meinem Oberstübchen hervor und berechne schnell, dass auf ein kurzes 'Sitt' ein langes 'Arrrrrrrrrrrrrgh' und dann ein 'Bums' folgen würde. Schorsch kommt näher. Ich trete in die nasse Pfütze und presse mein komplettes Kampfgewicht gegen die feuchte Platte. Ich bin sehr erleichtert, als ich endlich wieder im Trockenen stehe.


Ein schwierige C/D-Stelle hat der Klettersteig noch übrig. Die ist eher unangenehm als schwierig. Beim Umhängen der Karabiner findet man einfach keine bequeme Körperposition. Der lange Arm geht auch nicht, weil den Füßen dann die Tritte fehlen. Deshalb muss man sich mit gebeugtem Arm an die Wand ziehen und mit der anderen Hand die Karabiner umfummeln. War klar, dass der Schnapper gerade jetzt nicht richtig schnappen will...


Endlich oben. Schorsch meint, dass ich ja gar nicht so langsam gewesen sei. Ich habe nur versucht schneller als die eigene Angst zu sein.


Unsere Wege trennen sich hier. Schorsch hat von einem neuen Klettersteig in der Langkofelscharte gehört und ist wie elektrisiert. Ich dagegen widme mich jetzt lieber der Heimfahrt mit Kaminwurzen-Sourcing und Südtiroler-Speck-Akquise...



Zing • 5. Juli 2023