Die einfachste Form der Astrofotografie?
Jede Wiederholung ist ein Neuanfang!
Als ich das Haus an diesem Abend verlasse bin ich ganz schlecht vorbereitet. Gerade einmal Kamera und Stativ habe ich dabei. Wohin es gehen soll weiß ich nicht einmal. Irgendwas mit Vordergrund, ein paar Häuser am Horizont und darüber der nachtschwarze Himmel mit Orion und Co. Das ist kein Plan, höchstens eine wage Idee.
Nun stehe ich unter dem Baum und sehe auf dem LCD rein gar nichts. Hmm, nach fünf wertvollen Minuten finde ich die Einstellung 'Natural Live View' im hintersten Eck des Kameramenüs. Endlich, ich kann wieder sehen!
Heute mag ich es ganz simpel, quasi easiest! Ich werde nur JPGs aufnehmen. 20s bei Blende 4.0 und ISO 3200 sind jedoch zu viel. Irgendwann lande ich bei 15s, Blende 5,6 und ISO 2500. Jetzt stimmt wenigstens schon mal die Belichtung. Trotzdem sind die Sterne unscharf, nicht im Sucher, aber auf dem Bild.
Da fällt mir ein, dass ich die Stabilisierung des Sensor bei Belichtungszeiten > 1/2s ausschalten sollte.
Gut, das ist schon besser. Trotzdem gehen von den Sternen nun noch so komische Wischer aus...
Wenn der erste Verschulssvorhang einer Mittelformatkamera runtersaust, dann gerät die gesamte Anordnung in Vibration. Die Sterne werden vertikal verwischt.
Abhilfe schafft der elektronische Frontvorhang (electronic front curtain shutter -> EF-S). Die Pixel werden dabei elektronisch für die Belichtung freigegeben, Zeile für Zeil. Der zweite Vorhang ist dann jedoch wieder der des mechanischen Verschlusses. Dann rumpelt es zwar auch wieder, aber dann wird ja auch der Sensor nicht mehr von den Sternen belichtet.
Und jetzt Zing? Ist doch alles i.O., oder? Nee, nee, das gefällt mir noch nicht. Der Himmel ist ja total gelb!
Der Nachteil von JPGs ist, dass der Weißabgleich schon zum Zeitpunkt der Aufnahme sitzen sollte. Selbst mit der besten Bildbearbeitung sind spätere Korrekturen diesbezüglich nur in geringem Umfang möglich. Was also tun? AWB scheint nicht zu funktionieren. Ich probiere zunächst die Einstellung der Farbtemperatur auf 3200K, weil das dem gestreuten Kunstlicht gerecht werden sollte. Jetzt sind aber die Sterne grün!
Thierry Legault empfiehlt in der nähe von Städten den Weißabgleich auf Glühlampenlicht. Dann sind die Bilder aber mehr als nur blau.
Nachdem ich jetzt das gesamte Literaturwissen zum Thema Weißabgleich in der JPG-Astrofotografie durch habe, denke ich selber nach. Neben AWB verfügt die 'dicke Bertha' noch über zwei weitere Varianten des automaatischen Weißabgleichs: AWB auf die Spitzlichter und AWB mit Betonung des Umgebungslichts. Letzteres, also ambient AWB, stellt sich nach etlichen Versuchsaufnahmen als geeignet heraus. Klar doch, der aufgehellte Himmel ist die 'Umgebung', die möglichst neutral wiedergegeben werden soll.
Gar nicht so einfach, die Astrofotgrafie mit ruhender Kamera, oder? Das jetzt ermittelte Rezept muss ich mir für's nächste Mal merken bzw. im Custom-Slot speichern.
Jetzt muss ich nur noch herausfinden, was das für eine helle und lange Lichtspur auf dem einen Bild war. Ein Flugzeug ist das nämlich nicht. Das KOSMOS Himmelsjahr liefert auch keinen passenden Meteorstrom. Vielleicht war es ein Iridium-Flare? Da frag ich doch mal heavens-above...