CINESTILL 800T und der kaputte Drahtauslöser

 Wer billig kauft, kauft zweimal!

Die Nase läuft und der Hals kratzt. Was soll man mit so einem Sonntag bloß anfangen? Aufräumen! Wie lange sind eigentlich die Filme in Kühlschrank noch haltbar? Oh, der CINESTILL läuft im Februar 2023 ab! Ab damit in die Kamera. Ich lade die treue Minolta mit dem Film und nehme auch die Fuji X-T3 mit. Warum? Die X-T3 ist ein guter Belichtungs-messer!
Und wohin damit? Der Merkzettel ist lang, aber fangen wir einfach bei 'A' an, 'A' wie Allach - Rangierbahnhof!

Kamera:

Objektiv(e):


Filmsimulation:

Film:


sonstige Ausrüstung:

Fujifilm X-T3, Minolta XD7

Fujinon 35mm 1:2,0 R WR, Minolta Rokkor 50mm 1:1.4


CINESTILL 800T

CINESTILL 800T


Stativ, Drahtauslöser

Mir ist schon ein wenig mulmig, als ich den reudigen Parkplatz an der B304 verlasse und auf die sehr dunklen Spzierwege einbiege. Ein gespenstischer Güterzug fährt keine 10m entfernt ratternd und unbeleuchtet durch die Nacht. Stephen King hätte das nicht besser inszenieren können.


Als ich die Fußgängerbrücke hinüber zum Stellwerk erreiche, wird gerade eine lange Reihe Wagons auf den Ablaufberg geschoben. Jetzt muss alles schnell gehen. Stativ aufstellen, Kamera montieren, Belichtungsmessung mit der X-T3 (ISO800, 3s, f/5.6), Drahtauslöser in den Auslöser schrauben und auslösen.

Der Spiegel klappt hoch, der Verschluss zuckt kurz und dann klappt der Spiegel auch schon wieder herunter. Das eine Ende des Drahtauslösers baumelt in der Luft. Was ist denn jetzt bloß wieder schiefgelaufen? Ich versuche das Ding in der Finsternis eines schlecht beleuchteten Rangierbahnhofs wieder in den Auslöser der Kamera einzudrehen, aber...


Ich krame die Stirnlampe hervor. Wieso passt das nicht mehr? Die Kamera muss runter vom Stativ. Ich bin genervt. In der dicken Winterjacke fühle ich mich so unbeweglich wie das Michelin Männchen im Führerhaus eines alten Hanomag. Zwei Kameras baumeln um meinen Hals. Welche ist welche? Scheiß Handschuhe. Scheiß Brille. Alles Kacke...

Was war passiert? Das Gewinde des Drahtauslösers ist abgebrochen. Zwei Windungen stecken noch in der Minolta. Die bekomme ich jetzt auf die Schnelle nicht repariert.


Bei Belichtungszeiten über einer Sekunde muss ich für den Rest des Abends den Finger vorsichtig auf den Auslöser drücken. 21 - 22 - 23! Bezüglich der drei Sekunden - oder auch mal fünf - bin ich mir selbst nicht immer sicher. Ich mache vom gleichen Motiv mehrere Aufnahmen. Irgendeine muss schließlich gelingen. Wahrscheinlich ist jede irgendwie verwackelt. Hoffentlich ist der CINESTILL 800T wenigstens etwas tolerant gegenüber Fehlbelichtung...

Nach dieser Session sind insgesamt 18 Aufnahmen verschwendet.


Mit Pinzette und Skalpell operiere ich die Reste des billigen, chinesischen Drahtauslösers aus der geliebten, japanischen Minolta XD7. Ich finde noch einen alten Drahtauslöser. 25 Jahre alt. Deutsche Wertarbeit. Der Funktionstest kostet nochmals zwei Aufnahmen vom immerhin 17,-€ teuren CINESTILL... 


Also nur noch sechzehn Aufnahmen übrig! Ich gelobe mit denen sorgsamer umzugehen, mit mehr Ruhe. Die Minolta liegt derweil an einem kühlen Ort, aber nicht im Kühlschrank...

Die hier gezeigten Bilder sind Digitalaufnahmen. Der Film muss schließlich irgendwann in naher Zukunft noch entwickelt werden. Wie habe ich das eigentlich früher ausgehalten, dass die wertvollen Urlaubsfotos erst nach Wochen entwickelt und überprüft werden konnten? Hoffentlich schlafe ich jetzt nicht so lange schlecht, bis ich den entwickelten Film endlich vom Labor abgeholt habe. Dann bin ich sicher zu ungeduldig, schaue mir die Negativstreifen schon in der S-Bahn an. Jemand rempelt mich an und die Negative fallen auf den sauberen S-Bahnboden...


Ich fotografiere manchmal auf Film, damit ich mich wieder erinnere, wie schön Digitalisierung sein kann!

Zing • 29. Januar 2023