Buchbesprechung - Der Astronaut
Kann sich Andy Weir noch steigern?
Wer kennt Andy Weir nicht? Was? Wirklich nicht? Andy Weir ist der Autor von "Der Marsianer" und lieferte mit jenem Roman die Vorlage für einen exzellenten Hollywood-Blockbuster. Ah, jetzt klingelts, genau! "Der Astronaut" ist im englischen Original erstmals 2021 erschienen und seit 2023 auch auf Deutsch verfügbar. Ich bin kürzlich beim Stöbern im Online-Buchladen über diesen Titel gestolpert. "Der Marsianer" war ein Bestseller, "Der Astronaut" ist es noch nicht. Ist Andy Weirs Schicksal das so vieler Autoren, deren Erstlingswerk wie eine Bombe einschlägt und die dann diesem Anfangserfolg für den Rest ihres Lebens nacheifern müssen?
Ein Mann erwacht in einem Raumschiff und kann sich nicht mehr erinnern. Weir nimmt auch in "Der Astronaut" wieder die Perspektive des Ich-Erzählers ein. Als Leser ist man also sofort mit dabei. Man durchlebt zusammen mit dem Protagonisten das Wechselspiel von zurückkehrenden Erinnerungsbruchstücken und die Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Extremsituation. Der Astronaut findet sich nämlich im Tau Ceti System wieder, ganz alleine, die übrigen Besatzungsmitglieder sind alle tot.
Andy Weir kann Science Fiction wirklich gut. Der Anteil Science ist gut recherchiert und umfasst dabei mehr als nur Raumfahrt und Astronmie. Wer im Weltraum überleben will, muss eben ein Multitalent sein, so Mark Watney in "Der Marsianer". Beim Anteil Fiction greift Weir dieses Mal jedoch etwas weiter, aber das muss auch so sein, denn anders als in "Der Marsianer" haben wir ja nun das Sonnensystem verlassen und umkreisen den sonnenähnlichen Stern Tau Ceti (den hat übrigens auch schon Dan Simmons in den "Hyperion-Gesängen" bemüht). Und ohne etwas genauer verraten zu wollen, die Fiction wird noch weiter getrieben...
Andy Weirs Protagonisten sind keine Helden oder Überflieger mit Superkräften, sondern einfach nur Menschen, die überleben wollen. Diesem Motto bleibt Weir auch in "Der Astronaut" treu. Da darf auch schon etwas mal schiefgehen oder die Technik versagen. Nobody is perfect, und schon gar nicht unser Ich-Erzähler. Guter Schlaf ist ja so wichtig! Zum einen lässt das in der Leserin die Sympathie für unseren Astronauten wachsen, zum anderen wird uns als Leser aber auch wieder bewusst, dass der Weltraum ein verdammt ungemütlicher Ort ist. Die Massenflucht der Menschheit zu anderen Sternen bleibt, zumindest vorerst, eine Utopie. Die meisten von uns werden noch lange Zeit das gemeinsame Schicksal teilen, die Probleme des Planeten Erde auch auf bzw. von der Erde aus lösen zu müssen.
Auch wenn "Der Astronaut" einen anderen Stern umkreist, so handelt dieser Science-Fiction-Roman auch und ganz besonders von der Erde und den Menschen.
Damit nicht genug. Freundschaft ist ein anderes Motiv, dessen sich Andy Weir bemüht. Wir erleben, wie Freundschaft entsteht, wächst und was Freundschaft tatsächlich bedeutet. Das ist eine ganz wesentliche Botschaft in einer Zeit, in der das Wort Freundschaft geradezu inflationär gebraucht wird. Wir sagen Freundschaft und meinen doch nur freundschaftlich, wenn überhaupt. Während es in den asozialen Medien heute auch möglich ist sich zu entfreunden, zeigt uns Weir in "Der Astronaut", dass Freundschaft auch über alle Grenzen hinweg bestehen kann. Wer ein Freund sein will, tut das mit allen Konsequenzen.
Sind wir letztendlich nicht alle ein Astronaut?
Und wo steht nun Weirs "Astronaut" im Vergleich zum "Marsianer". Ich finde Weir ist auf einem gleich hohen Niveau geblieben. "Der Astronaut" hat das gleiche Potenzial zu einem Weltbestseller. "Der Marsianer" hat durch die Verfilmung einen Schub erhalten. "Der Astronaut" könnte schwieriger auf die Leinwand zu bringen sein, obwohl ich mich da gerne von Hollywood überraschen lassen.
Andy Weirs "Der Astronaut" ist lesenwert, spannend, unterhaltsam und lehrreich zugleich.
5 von 5 Lesesternen von Zing für die sehr gute, zeitgenössische Science Fiction.