Bergtour über die Hackenköpfe
Leichter getan als gesagt
Europa stöhnt unter der Hitze. Auch in den Bergen ist es warm. In 2000m Höhe sollen heute am Wilden Kaiser 20°C erreicht werden. Deshalb ist ein früher Aufbruch gar nicht so abwegig. Heute wird am Parkplatz unterhalb der Schießlingalm geparkt. Das kostet nix.
Die Welt schläft noch vor sechs Uhr. Der Hintersteiner See reflektiert nur das zarte Licht des anbrechenden Morgens. Ansonsten schläft das Bergdoktorland noch. Nachdem man die Steiner Hochalm passiert hat, gelangt man zu dem fiesen Geröllfeld, das dankenswerterweise noch im Schatten liegt. Gleiches gilt auch für ein Schneefeld, das knochenhart gefroren ist. Im leptosomen Rucksack fehlen heute die Grödel und Stöcke. Das kostet Zeit. Ein Pärchen macht es besser und umgeht das Ganze am oberen Rand.
Nach einem kleinen Versteiger auf dem Normalweg – ja, auch das kann passieren – ist bald der kurze Klettersteig (A) erreicht und dann auch schon die Scharte, die normalerweise zum Wildauer Steig führen würde. Jetzt noch schnell zum Scheffauer, der nach insgesamt drei Stunden erreicht ist.
Nach dem Genuss des ausgezeichneten Rundumblickes, geht es endlich richtig los. Wie viele Meter es nun von der Scharte bis zum Beginn des kleinen Steiges sind, darüber ließe sich vortrefflich debattieren. Aber die Meterangabe ist völlig gleich, weil man den deutlich sichtbaren Steig gar nicht übersehen kann.
Die Hauptschwierigkeit der gesamten Überschreitung folgt gleich zu Beginn, quasi als natürliche Auslese. Ein Klettersteigdesigner würde es nicht anders machen. Es geht ca. 5m im oberen II-ten Grad nach oben, wobei die Kunst ist, die Füße richtig zu sortieren. Nach einem kurzen Schrofenanstieg ist ein kurzer, jedoch schmaler und ausgesetzter Grat zu passieren. Der Herzschlagmoment dieser Tour…
Schon ist der westliche Hackenkopf erreicht. Es geht immer so weiter. Gehpassagen wechseln sich mit kurzen Klettereinlagen im I-ten und II-ten Grad ab. Dann steht man vor dem mittleren Hackenkopf, der sich als schier unüberwindliches Hindernis vor dem Bergsteigerlein aufstellt. Ein roter Punkt über der Scharte lässt einen weiter oben nach dem Weiterweg suchen. Tatsächlich muss man jedoch mehrere Meter nach Süden absteigen, um auf eine deutlich erkennbare Pfadspur in den Schrofen zu treffen. Man hält auf einen markanten Felssporn zu, spreizt in eine kleine Felsmauer und folgt weiter den deutlich erkennbaren roten Punkten. Sieht man keine mehr, dann schaue man nach links (Norden). Schon geht es aufwärts, durch eine kaminartige Rinne mit abschüssigen Tritten weiter und dann in herrlich festem Fels auf den mittleren Hackenkopf.
Die Hauptschwierigkeiten sind damit bereits bewältigt. Der weitere Weg über den östlichen Hackenkopf und den Wiesberg ist anregend und abwechslungsreich, aber kaum noch ausgesetzt oder schwierig. Ich könnte noch weiter zum Kopfkraxen oder gar zum Sonneck. Allerdings brennt die Sonne heiß und der Abstieg über das Südgesicht des Kaisers zur Kaiserhochalm ist kein Sparziergang. Also abwärts zum Wasser.
Die Runde klingt bei zwei alkoholfreien Weißbier und Schmalzbrot an der Hinterschießlingalm aus.
Ein Wort zur Schwierigkeitsbewertung: Würde man die IIer-Stellen in die T-Bewertung miteinbeziehen, dann müsste man eigentlich eine T6 vergeben. In den ‚Münchner Bergtouren‘ v. Thomas Otto (Rother Verlag) schreibt der Autor um Ausgleich bemüht T5/T6. Ich denke, dass man hier ein gutes Beispiel für die Trennung von Kletter- und Treckingschwierigkeit findet. Mit II gem UIAA sind die Kletterschwierigkeiten hinlänglich beschrieben. T4+ entspricht dem relativ gutmütigen Charakter der Tour. Insbesondere die Schrofenpassagen sind erfreulich angenehm zu begehen und die furchterregenden Tiefblicke samt Absturzgefahr halten sich in zumutbaren Grenzen.
Dennoch sollte man die Überschreitung der Hackenköpfe nicht unterschätzen. Man sollte in leichter Kletterei beleckt sein und über Schwindelfreiheit verfügen. Ein plötzlicher Wetterumschwung führt hier unweigerlich zu einem Abenteuer und/oder einem lausigen Biwak…