Bergtour Roßberg und Brentenjoch
Mehr als ich ursprünglich wollte!
Es ist nicht von Vorteil, der Allerste auf dem großen Wander- und Bergbahnparkplatz zu sein. Ich kann mich nicht entscheiden, unter welchem Baum ich nun den Hybriden abstellen soll. Die Mitte ist wohl nie verkehrt.
Teil 1 dieser Tour ist ein ausgewachsener Forststraßenhatscher. In den engen Kurven bekommt fast einen Drehwurm. Als sich zwei Kehren unter mir bereits der erste nervige Skistockstecher nähert, befürchte ich schon das Ende dieses ruhigen Nebelmorgens. Als es dann jedoch der Weg linker Hand weiter in das Reichenbachtal hinüber führt, kehrt wieder Ruhe ein. Nurmehr die Vögel schimpfen mich wegen der Störung ihres Sonntagsmorgens aus.
Zwei E-Bikes rauschen an mir vorbei. Klar dass die sich lautstark unterhalten können. Die treten ja auch kaum in die Pedale. Ich trotte weiter und schaue immer wieder auf das Navi, um den Beginn der Schwierigkeiten nicht zu verpassen. Irgendwie schaffe ich das aber doch, den Abzweig zu verpassen, und muss ein paar Meter zurück. Der alte Weg ist von dichtem Gras bewachsen. Am Stacheldrahtzaun gibt es auch keinen leichten Übergang. Ich klemme das Ding mit den Stöcken unter mir ein. Man kann nur Hoffen, dass nichts abrutscht und in die Höhe schnellt. Das wäre jetzt fatal!
Der alte, steile Weg kreuzt nochmal eine neue, breite Forststraße. Mein Navi hat die jedoch nicht auf dem Schirm. Nach wenigen Metern ist die breite Schneise wieder Vergangenheit. Steil führt der Weg auf eine Wiese und endet abrupt. Lt. Karte geht man jetzt einfach geradeaus. Im wirklichen Leben ist das jedoch ganz anders. Auf der anderen Seite der Wiese wird es kompliziert. Ein Geröllfeld will überwunden werden. Das ist immer noch besser, als darüber weiter aufsteigen zu müssen.
Die gerade OSM-Linie wird im weiteren Verlauf durch zahlreiche Krüppelkieferkolonien gekrümmt, gebrochen und gedehnt. Meine Geschwindigkeit nimmt rapide ab. Immerhin kann ich erkennen, dass ich zunächst auf den Hang unter einem Felsvorbau gelangen muss. Wegspuren gibt es keine. Hmm, das entspricht schon hier der Definition von T4. Das kann ja heiter werden.
Über den Hügel unter dem Felsvorbau führt tatsächlich eine Pfadspur weiter nach links. Die Linie auf dem Bildschirm führt hier einfach weiter geradeaus in die Rinne. Während ich noch staune und mich wundere, verlieren sich auch wieder die Pfadspuren. Das Gelände ist ruppig, führt aber immerhin über einen breiten Geröllrücken weiter logisch in die Rinne hinauf. Bald zeigt das Navi einen knick in der hellblauen Linie. Zu dem Gelände vor mir passt das jedoch irgendwie überhaupt nicht. Da rinnt sogar ein nasser Bach über eine Felsstufe. Wo soll da ein Wille bzw. ein Weg sein?
Sind das Spuren dort vor mir. Ich bilde mir das zumindest ein und gelange im Zickzack höher in der Felstufe. Das Gelände wird immer steiler. Die Bewegungsart wechselt zu Kraxeln. Dann stehe ich vor einer Mauer. Man könnte nach links auf einem Sims durch den Bach klettern. Wirklich? Ein paar Meter höher gehts auch nicht nicht leichter weiter nach links. Das über den Bach kann nicht die Lösung sein.
Ich schaue mich um und gucke blöd. Schräg rechts könnte es klappen. Die Stelle ist heikel, kleine Tritte, feuchter Fels, II. Grad. Hin und her geht es durch ein Labyrinth von Leisten und Stufen. Dann legt sich das Gelände zurück und ich entdecke wieder eine schwache Spur. Das war also richtig und auf jeden Fall schwerer als T4, eher T4+ oder T5-. Hauptsache mich zwingt jetzt nichts zur Umkehr...
Die schwache Spur führt weiter durch zweifelhafte und lose Schrofen. Leicht rechts finde ich jedoch ein ausgetrocknetes Bachbett aus kompacktem Fels. Dort gelangt man viel schneller weiter, und irgendwie fühlt man sich dort auch sicherer. Diese Wahl war nicht verkehrt. Bachbett und Schrofenspur treffen sich bei einem markanten Steinhaufen wieder. Jetzt kann es nur noch leichter werden, oder?
Nun, nicht wirklich. Ein schmales Band führt über dem Abgrund weiter auf einen Steinmann zu. Am Steinmann ist jedoch Schluss. Es geht nicht weiter und auch nicht nach oben. Man könnte nach unten in die Schlucht springen - völlig falsch - oder wieder zurück. Ich entscheide mich für zurück. Vom deutlichen Band zweigen tatsächlich schwache Spuren in die darüberliegenden Schrofen ab. Die hellblaue Linie im Navi ist weiterhin eine Gerade. Was für ein Macroadventure mit Micronavigation!
Die letzte Wiese ist wieder steil und zieht sich ewig dahin. Als es dann endlich leichter wird und man nur noch 45 Hm unter dem Gipfel des Roßbergs steht, ist die Erleichterung gar nicht einmal so groß. Dreiunddreiviertel Stunden habe ich gebraucht, anstatt zweieinhalb! Ich brauch jetzt unbedingt ne Stulle!
Der klare Himmel ist dem Spiel schwerer Wolken gewichen. Der Blick auf die umliegenden Berge ist ein wechselndes Programm. Ein schneller Vlogger gesellt sich vom Brentenjoch kommend kurz dazu und spricht zu seinen Followern. Trotz aller Technik bittet er mich zuletzt dann doch noch ein Foto von ihm zu machen. Ich sollte wirklich darüber nachdenken, mich dafür bezahlen zu lassen...
Der Weg zum Brentenjoch ist dann wirklich ein Klacks, T3+, höchstens. Die Option auf eine IIIer Kletterei am Felskopf lasse ich jedoch aus. Das muss heute nicht mehr sein.
Auf dem Brentenjoch herrscht wie immer Hochbetrieb. Das ist aber auch ein toller Aussichtsberg. Ich denke, dass ich dem einmal im Winter mit Schneeschuhen einen Besuch abstatten sollte.
Der Abstieg über den 'Bösen Tritt' und weiter ist kein Durchmarsch. Die großen Bergschuhe bleiben oft an kleinen Steinen hängen. Ich bin müde. Je weiter man nach unten gelangt, desto wärmer wird es. Der Schweiß läuft und die Sonne brennt.
Der Weg durch die Reichenbachklamm ist kaum eine Erholung. Kühl ist es hier nicht, dafür aber nass und glitschig. Schnell kommt man auch hier nicht weiter. Die Klamm merke ich mir dennoch für eine spätere Fotoexkursion vor. Da lässt sich bestimmt mehr draus machen als die drei Erinnerungsfotos in der Galerie.
Insgesamt acht statt sechs Stunden. Eine ganze Schwierigkeitsstufe mehr als gedacht und gewollt. Ist das schlimm? Nö, zufrieden fahre ich heim und denke noch lange an diese unerwartete und doch gemeisterte Herausforderung. Und jetzt zurück in die Komfortzone...