Kopenhagen - Kapitel 10
Kleine Meerjungfrau in Not
Ich habe den Wasserbus gerade als mein Lieblingsfortbewegungsmittel in Kopenhagen entdeckt (,obwohl ich gar keine Wasserbushose dabei habe). Ich möchte eigentlich nach Westen, habe das Boot aber um 1 Minute verpasst. Was mache ich in den nächsten 40 Minuten? Der nächste Wasserbus in Richtung Orient Kaj kommt gerade vorbei. Ich könnte mir ja doch die Kleine Meerjungfrau anschauen. Die ist ja nur eine Wasserbusstation weit entfernt.
Noch ahne ich nichts von dem Trubel um die junge Dame, die keine Schuhe tragen kann. Ich bemerke noch die Kleingkeiten. Eine Libelle versucht im Sonnenlicht allerletzte Lebensgeister erneut zu wecken.
Ich brauche auch unbedingt eine öffentliche Toilette. Ich wusste gar nicht, dass ich 45 Sekunden lang die Luft anhalten kann.
So, und wo ist jetzt die Kleine Meerjungfrau? Der Blick aufs Navi erübrigt sich. Dort hinten tummeln sich Menschentrauben am Ufer. Dort muss ich hin.
Mit der Kleinen Meerjungfrau habe ich Mitleid. Das arme Ding ist nackig und wird trotzdem von den schamlosen Touristen hemmungslos abfotografiert. Mir wird vermutlich immer verborgen bleiben, warum die meisten Menschen glauben zusammen mit einem Kunstwerk oder einer Touristenattraktion auf einem Foto abgelichtet werden zu müssen. Glaubt euch sonst etwa keiner, dass ihr dort wart? Wird die Kleine Meerjungfrau durch die Kombination mit eurem Konterfei etwa schöner? Könnt ihr euch nur an das Gesehene erinnern, wenn ihr euch selbst seht? Ich erkenne den Menschen in Bestiengestalt...
Es ist ein ganz kurzer Moment. Er dauert gerde einmal fünf Sekunden. Dann kann ich ein Foto von der Kleinen Meerjungfrau machen, wie ich sie in meiner Erinnerung behalten möchte. Frei von den Menschen, mit sehnsüchtigem Blick auf das weite Meer hinaus.