Filmfotografie - The Lost Tracks of Munich

Der Rest vom Kodak PORTRA 800 und ein Versuch mit der Minolta SRT 100X

Der Tag zwischen der Kreuzigung und der Auferstehung wird als Samstag bezeichnet. Das Wetter ist heute eher gräulich und ich werde sicher noch nass werden. Trotzdem breche ich um 06:00 Uhr auf und fahre trotz aller Widrigkeiten und Fahrplanänderungen mit der S-Bahn zum Leuchtenbergring.
Dort soll sich einer der wenigen 'lost places' von München befinden. Eigentlich handelt es sich eher um offen gelassene Bahngleise, also 'lost tracks'!
Ich hab ja noch 14 Restbilder des Kodak PORTRA 800 vom letzten Mal in der Knipse. Und wenn das nicht reichen sollte, dann habe ich noch die SRT 100X mit einem frischen PORTRA 400 im backup aka Rucksack!!!

Kamera:

Objektiv(e):


Filmsimulation:

Film:


sonstige Ausrüstung:

Minolta XD7, Minolta SRT 100X

Minolta MD ZOOM 24-35mm 1:3.5, Minolta MD ROKKOR 45mm 1:2


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Kodak PORTRA 800, Kodak PORTRA 400


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Die Unterführungen an der S-Bahnhaltestelle Leuchtenbergring sind wirklich eklig. Bei fast allen Pfützen hoffe ich, dass es sich um Regenwasser handelt, das hier irgendwie seinen Weg von den Gleisen in den Untergrund gefunden hat. Regenwasser riecht jedoch anders. Während ich mich bemühe den Würgereiz zu unterdrücken, mache ich doch ein Foto von dem langen Tunnel. Später wird sich herausstellen, dass das ein phantastischer 'portfolio shot' für das Projekt 12 sein wird. Heute weiß ich das jedoch noch nicht und werde dieses Bild deshalb noch nicht in diesem Tagebucheintrag veröffentlichen...


Ich erkunde das schmale Band zwischen den noch schlafenden Wohngebieten und der lebhaft verkehrenden Bundesbahn. Die alten Bahngleise verschwinden langsam. Eine rostende Drehscheibe löst sich langsam zu Staub auf. Die Motive sind zahlreich und der Tag bleibt grau. Was die Offiziellen als ökologische Vorrangfläche bezeichen, hebt keinesfalls die Stimmung. Der Verfall ist in vollem Gange und das Leben ist bisher nur auf Informationstafel zurückgekehrt.


Die ökologische Vorrangfläche grenzt an einen neuen Kiez mit moderner Architektur. Die Edelimmobilien sind sicher teuer verkauft worden. Zwischen den Sträuchern entdecke ich die provisiorischen Behausungen von Obdachlosen, offensichtlich bewohnt. Der freilaufende Edelvierbeiner einer gut betuchten Gassigeherin steuert auf die grünen Planen im braunen Unterholz zu, schnuppert kurz und hebt das Bein. "Pfui, aus! Aus, aus, pfui!"

Manchmal ist mir München einfach zu viel...


Als ich die Drehscheibe erreiche, ist endlich auch der PORTRA 800 am Ende. Ab jetzt arbeite ich mit einem PORTRA 400 in der Minolta SRT 100X weiter. Ich habe die Theorie, dass deren Belichtungsmesser nicht stimmen kann. Die modernen Batterien haben 1,5V Leerlaufspannung. Die früher verwendeten Quecksilberzellen verfügten über eine Nennspannung von 1,35V. Also kann der Belichtungsmesser nicht stimmen. Wenn die Spannung zu hoch ist, wird zu viel Belichtung angezeigt und die Aufnahmen werden später unterbelichtet sein. Vielleicht ist meine SRT 100X aber auch grundsätzlich gar nicht von diesem Problem betroffen oder verfügt bereits über die sog. Diodenmodifikation. Letzteres kann ich nicht überprüfen. Eine Schraube auf der Unterseite des Kameragehäuses wehrt sich gegen jegliches Herausdrehen.

Schluss jetzt mit der langen Vorgeschichte. Ich verwende die SRT 100X und ihren eigebauten Belichtungsmesser jetzt einmal mit einem ganzen 36er Film und schau was dabei herauskommt.  Vielleicht ist auch alles gut und ich muss gar nichts umbauen oder anders einstellen...


Ein paar Aufnahmen gehen noch, dann aber ziehe ich weiter, zurück zur S-Bahnstation. Ein Bekloppter mit Fahrradhelm schreit mir "Wohlstandsgesellschaft" entgegen. Wenn der jetzt versucht aus den Pfützen in der Unterführung zu trinken, dann werde ich ihn nicht aufhalten!

Zing • 8. April 2023