Bergwanderung Thaneller
Schnell und einfach?
Bereits bei der Anfahrt kann man feststellen, dass alles wie immer ungerecht verteilt ist. Östlich des Lechtals sind die Berge mit viel mehr Schnee bedeckt als die im Westen gelegenen Allgäuer Alpen. Aus dem Augenwinkel erkenne ich den O-Grat der G-Spitze. Der steht ganz oben auf meiner ToDo-Liste und wäre heute auch möglich gewesen. Die Chance habe ich also schon einmal verpennt. Zu meinem Glück wird die G-Spitze kaum davonspringen. Vielleicht klappt es noch im Oktober oder dann eben im nächsten Jahr.
Kurz überlege ich, ob ich den Thaneller heute nicht doch über den nördlichen Anstieg nehmen soll. Solche Spontanitäten enden jedoch meist in einem unendlichen Bergtag, auf den ich mich nicht wirklich vorbereitet habe. Die eingepackte Brotzeit reicht nur für eine schnelle und einfache Brotzeit aus. Der Helm hängt daheim am Haken. Also weiter nach Plan und weiter langsam hinter einem Wohnmobil herfahren, um endlich nach Berwang abbiegen zu können.
Am kostenlosen Parkplatz stehen schon ein paar Autos. Vielleicht verläuft sich das ja? Ich passiere den Wegweiser zum Thaneller. Das soll noch 3:15 h dauern. Ausgerechnet hatte ich 2:30 h und ein Tourenbericht aus dem Internet hatte 2:45 h angegeben.
Hinter mir steigen zwei schwarze Gestalten aus einem Auto und nähern sich bedrohlich schnell. Ich will meine Ruhe und beschleunige entsprechend. Irgendwann höre ich sie nicht mehr. Gut so.
Bereits jenseits des Latschengürtels tauchen die beiden Gestalten wieder hinter mir auf. Dieses Mal haben sie sich die schwarzen Klamotten offensichtlich ausgezogen und sind nun zu bunten Gestalten geworden. Ich gehe noch schneller. Da ist schon der Gipfel zu sehen. Höchstens noch eine halbe Stunde. Jetzt mag imich auch nicht mehr überholen lassen, schon gar nicht von zwei bunten Gestalten. Nach exakt 2:00 h schlage ich am Gipfelkreuz an. Später wird sich noch herausstellen, dass die bunten Gestalten und die dunklen Gestalten zweierlei Sorten Gestalten sind.
Nun ist es aber Zeit für die ausschweifende Rundumsicht und die Brotzeit.
Ich bleibe noch lange hier oben. Der Gipfel ist gut frequentiert. Die meisten Leute kommen hier hoch und verschwinden bald wieder. Es ist ein Kommen und Gehen. Nicht nur ich möchte den vielleicht letzten Schönwettertag aller Zeiten für eine schnelle und einfache Bergwanderung nutzen. Ich komme mit einem ins Gespräch. Er wartet auf seinen krebskranken Freund, der sich noch weiter unten abmüht. Er erzählt mir, dass der Thaneller als einfache Wanderung bezeichnet wird. Das ist mir nicht neu, wohl aber seine Auffassung, dass es in den Bergen eigentlich nichts Einfaches gibt. Bezeichnungen wie "einfache Bergwanderungen", "einfache Klettersteige" oder "einfache Viertausender der Alpen" seien irreführend und würden nur ungeeignete Leute anlocken. Vor einigen Tagen hätten Bergwanderer mit dem Hubschrauber vom eingeschneiten Riemannhaus gerettet werden müssen. Plötzlich Schnee und nichts ist mehr einfach. Ich kann ihm nur zuhören und zustimmen.
Abstieg. Der ist nach 1:40h absolviert. Bergab bin ich nicht so gut. Am Ende des Tages wird das Verhältnis von reiner Gehzeit zu reiner Fahrzeit mit dem Auto ca. 22:27 betragen. Mehr Fahren als Gehen, das muss besser werden.