Berg-/Klettertour Westgrat Köllenspitze

Der erste Verhauer passiert schon auf der Autobahn

Ich wundere mich noch, wo denn jetzt Landsberg a.L. bleibt. Da fällt mir ein hoher Turm auf. Haben die jetzt etwa in Penzing eine riesige blaue Antenne gebaut? Wolfgang faselt etwas von Vergnügungspark. "Wann kommt den Buchloe?" "Da sind wir schon vorbei."

Na das geht ja gut los! Wir wollen eigentlich ins Tannheimer Tal und zur Köllenspitze. Aber wenn ich mich hier schon verfahre?! Hoffentlich finde ich nachher wenigstens den Einstieg auf Anhieb...

geografische Einordnung:


erreichte Gipfel:

weitere Wegepunkte:

Talort(e):


Schwierigkeiten:

Höhendifferenz Aufstieg/Abstieg:

Distanz:


Zeitbedarf inkl. Pausen:

Allgäuer Alpen - Tannheimer Berge


Köllenspitze 2.238m

Gimpelhaus

Nesselwängle


Wandern: T5+       Klettern UIAA: III        Klettersteig: -/-         Schneeschuhe: -/-

1.200m / 1.200m

k.A.


10h00m

Aufgrund des ersten Verhauers auf der Autobahn starten wir erst um zehn vor acht am Parkplatz in Nesselwängle. Auf den ersten Schritte schiebe ich mir noch Kohlenhydrate in Form von zwei Käsebroten zwischen die Kauleisten. Dann muss ich das Zeugs wenigstens nicht den Berg hinauf schleppen...


Das Gimpelhaus passieren wir nach 1h15m, in der Nesselwängler Scharte stehen wir kurz vor zehn Uhr. Ich verordne uns aufgrund des raschen Aufstiegs eine halbe Stunde Pause und suche schon mal den Einstieg. Das klappt ja wie im Wanderbuch. Da ist auch schon die Gedenktafel "Otmar Holl" und links die Rinne.

Auch den Direkteinstieg mit dem Bohrhaken finde ich. Den Direkteinstieg erspare ich uns heute jedoch und damit auch den "schwindeligen" Klemmblock im tiefen Riss. Wir gehen also den Westgrat so, wie in Thomas Ottos 46 MÜNCHNER BERGTOUREN beschrieben. Im Folgenden zitiere ich daher die Routenbeschreibung und ergänze diese um unsere eigenen Erfahrung, Wahrnehmungen, Trugschlüsse ...


1. Von Einstieg durch die Rinne nach oben (was sonst?), II. Nach 45m die Rinne nach rechts verlassen, nach fünf Metern Stand an Felsblock. Insgesamt 50m.


Wir steigen zunächst seilfrei einige Meter nach oben, um unsere Skistöcke und Snowchains in einer kleinen Höhle zu deponieren. Nacchdem uns nämlich ein freundlicher Zeitgenosse mitgeteilt hat, dass sich auf dem Normalweg kein schweinmäßig nerviges Schneefeld mehr befindet, waren diese Ausrüstungsgegenstände überflüssig geworden. Dann seilen wir uns an und ich steige vor. Die Sohlen wollen gar nicht so recht auf dem an sich trockenen Fels halten. Warum bloß! In der Rinne liegt viel Geröll. Bei Seilmanövern kann man da einiges ins Rollen bringen. Plötzlich endet die Rinne und ich kann nur nach rechts ausweichen. Ob die Seilmitte schon bei Wolfgang durch ist? Man hört nichts, denn drüben am Gimpel kreist der Rettungshubschrauber. Ich befestige eine Zwischensicherung an der kleinen Felsnase und gehe um eine Ecke herum...


2. Rechts haltend über Wiese zum Grat aufsteigen. Stand an Felsblock. 25m.


... fünf Meter vor dem nächsten Felsblock dann full stop! Das Seil ist vermutlich aus. Ich rufe "Nachkommen", aber der Hubschrauber ist lauter. Zweimal Anziehen und dann ist die Botschaft bei Wolfgang angekommen. Es bewegt sich. Ich erreiche den Felsblock und sichere mit darum gelgtem Seil, um mir einen aufwändigen Standplatzbau zu sparen. Da kommt Wolfgang wohlbehalten ums Eck. Der Heli landet unterhalb der Roten Flüh und es wird still.


3. Über Wiesenbuckel 10m dem Grat folgen, durch eine kleine Felsscharte, 10m nordseitig nach oben, II, zurück zum Gratkamm, auf dem Kamm zum Stand an Felsblock, I. 50m.


Wir gehen über den Wiesenbuckel und wechseln im weichen Gras auf die Kletterschuhe. Beim Verstauen der Bergstiefel sehe ich dann, was den Haftreibungskoeffzienten so derart minimiert hat. Das Profil ist voller Schafscheiße. Die haben wir uns vermutlich in der Nesselwängler Scharte eingefangen.

Jetzt probieren wir mal das Gehen am kurzen Seil. Ich wickle mir also 25m Seil um den Michelinmännchenkörper...

Direkt vo n der Spitze des Wiesenbuckels geht es los nach unten in die Scharte und dann zunächst nach links. Die Stelle ist tatsächlich kurz mit II zu bewerten, dann wird es jedoch auch schnell leichter. Den Felsblock suchen wir allerdings vergebens.


4. Über den Buckel zu einem Aufschwung I-II, nordseitiger Bohrhaken, dann Stand an Felsblock. 50m.


Wolfgang will mich mit einem HMS direkt im Sitzgurt in die nächste Seillänge schicken. Wenn er wüsste, was mich da erwartet ...

Ich komme zu dem nordseitgen Haken. Als ich die Exe in die Öse fummele, fällt mein Blick in die Tiefe. Unter der Felsplatte ist nur noch ganz viel Luft. Auf der anderen Seite sieht es auch nicht besser aus. Also schiebe ich mich seitlich über die Platte und danke den Göttern der Haftreibung, dass die Sohlen nicht nachgeben. Noch ein paar Meter weiter und ich stehe vor ein Felsblock, der eindeutig als Sicherungspunkt herhält. Die 240er Bandschlinge passt geradeso darum.

"Stand!" "... frei!" "... aus!" "Nachkommen!"


5. Über den Aufschwung 10m nach oben II, an Grat entlang I, durch eine Scharte zum nächsten Aufschwung I-II, Stand am Felsblock auf der Kuppe. 45m.


Bevor es an den Aufschwung geht, muss ich zunächst auf dem Hosenboden eine Stufe herunterrutschen. Die zahlreichen Tiefblicke sind beeindruckend und beängstigend zugeleich. Beim Klettern im Aufschwung fühle ich mich deutlich sicherer. Noch einmal auf dem Grat balancieren und dann wieder eine erlösende Kletterstelle. Der nächste Block ist gut zu erkennen und leicht mit einer 120er Schlinge abzusichern.


6. Weiter auf dem Grat I zur nächsten Kuppe, Stand an Felsblock. 15m.


Die 15m hätten wir auch einfach ohne Sicherung zurücklegen können. Auf der anderen Seite wartet eine riesige Felsschuppe als Sicherungspunkt. Dahinter erkennt man schon den tiefen, plattigen Abstieg.


7. Plattig abklettern in tiefe Scharte, 30m, I, am Grat bis zum Beginn des nächsten Aufschwungs, Stand an Felsblock. 50m.


Von oben sieht es schlimmer aus. Befindet man sich erst einmal in den Platten, dann ist der richtige Weg relativ leicht zu erkennen. Mit Kletterschuhen ist das gar kein Problem Die Scharte ist recht geräumig und ein paar Meter oberhalb findet sich auch ein Block, an dem man mit zwei 120er Schlingen einen ordentlichen Standplatz bauen kann. Wolfgang kommt schnell nach. Dann überlegen wir zusammen, wie wir mit einem 50m Seil die nächste 55m Meter Seillänge überwinden ...


8. Kurzer Aufschwung II-III, dann Quergang auf nordseitgem Band in Scharte (dort auch Notabstieg zum Normalweg möglich), aus der Scharte zu einem markanten Felsloch/Sanduhr. 55m!


8.1 Ich bin dann mal weg bzw. gehe los. kurz nach dem Ruf der Seilmitte entdecke ich 1,5 m über mir etwas Glitzerndes. Da befindet sich tatsächlich ein Bohrhaken. Bingo. Der Stand ist schnell eingerichtet und das Programm geht weiter.

8.2 Auf dem bröseligen Band gehe ich auf einen Felszapfen zu, der zumindest als Zwischensicherung herhält. Dahinter geht es in eine weitere Scharte. Unten erkennt man die Leute auf dem Normalweg. Leichter aufwärts und ich erkenne in einer breiten Nische das Felsloch. Direkt über dem Felsloch entdecke ich eine kleinere Sanduhr, die sich mit einer 120er Schlinge zum Standplatz ausbauen lässt. Das war ja gar nicht so schwer.


9. Links der Sanduhr nach oben II, dann aufwärts in Steilrinne I, weiter zu einem Gratkopf - Schlüsselstelle III - dann luftiger Stand an Bohrhaken. 25m.


Endlich klettern! Links der Sanduhr geht es in festem Fels aufwärts. Plötzlich stehe ich vor einer Platte mit Bohrhaken und frage erstmal bei Wolfgang nach, ob da schon die Seilmitte durch ist. Es könnte sich ja immerhin um so ein "Wo-ist-Landsberg-Déjà-Vu" handeln. Hab ich die Schlüsselstelle verpennt? Höchstens 8m seine durch. Gut, dann wird das eine Zwischensicherung. Vom BH aus gibt es zwei Möglichkeiten: rechts oder links. Nach rechts müsste man sich um ein Köpfel herum in die Rinne schwingen. Links geht es ausgesetzt über eine steile Platte nach oben. Ich entscheide mich für die steile Platte und gelange so über deren oberer Kante in die Steilrinne.

Die Steilrinne wird immer steiler. Links von mir befindet sich ein kleiner Block, der nochmal für eine Zwischensicherung gut ist. Eine Körperlänge später befinde ich mich dann auch schon in der Schlüsselstelle. Mit dem linken Fuß stehe ich auf dem Zwischensicherungsblock. Nach rechts spreize ich in die Wand. Links gibt es brauchbare Griffe. Der perfekte Griff für die rechte Hand ist jedoch nicht zu erreichen. Mir fehlen einfach zwei weitere Fingerglieder. Ich rutsche mit dem linken Fuß weiter nach hinten und stelle mich auf die Zehenspitze. Es fehlen immer noch 2cm. Ein möglicher Tritt für den rechten Fuß bietet kaum Reibung. Ich kann dort nicht antreten. Ich strecke den linken Fuß noch mehr durch, drehe die Hüften und kann endlich mit der rechten Hand einhaken. Jetzt geht es schnell und mein ganzer Körper schmiegt sich an den Fels. Das war also die Schlüsselstelle. Die wird oft mit III+ oder sogar IV- bewertet. Ich bleibe bei der III , denn mehr gibt das nicht her. Es ist eher eine Frage der Körpergröße. Alle über 1,82m werden hier keine Schwierigkeiten haben und den Kleineren muss man eben helfen.

Noch ist der luftige Stand nicht erreicht. Noch einige Male muss man über steile, jedoch feste Platten steil nach oben (II-II+). Und dann fühlt man der Bohrhaken auch schon, wenn man um ein Eck greift. Der Stand ist nicht nur luftig, sondern auch aussichtsreich. "Nachkommen!"


10. Über flachen Grat in eine kleine Scharte, weiter am Grat aufwärts I-II, Stand an einem Felskopf. 50m.


Über diese Seillänge gibt es weniger zu berichten. Folge den Spuren und du gelangst unter einen überhängenden Aufschwung. Felskopf ist übertrieben, aber so ein unförmiges Dings gibt einen brauchbaren Stand, wenn man sich mit der Selbstsicherung richtig reinhängt.


11. Kurzer Aufschwung II und über den flachen Grat zum sichtbaren Gipfelkreuz gehen. 50m.


Vom letzten Stand geht es steil anch oben. Man windet sich in einer Art Schraubenbewegung um den kurzen Aufschwung herum, dann sieht man bereits das Gipfelkreuz, das man nach ca. 40m erreicht. Jetzt holen wir noch den Wolfgang nach und dann ist der Westgrat der Köllenspitze schon mal geschafft.


Die Beschreibung aus den 46 MÜNCHNER BERGTOUREN ist durchaus zutreffend. Ein Topo sucht man im Netz vergebens. Ganz hilfreich für die Planung und Einstimmung auf die Tour war ein youtube-Video von einem Pärchen, Katharina und S....., egal, wer googelt, der findet!


Der Abstieg über den Normalweg ist dann nicht ganz so schön. Viel abschüssiges Bröselzeugs und definitiv Helmgelände. Nicht nur, dass diese ungeschickten Bröselgeher einem die Steine in die Hacken schleudern, nein, die merken nicht einmal, wenn sie überholen sollen. Und dann nerven die auch noch mit ihren blöden Fragen: "Geht es da lang?" "Wo geht es weiter?" "Muss ich da hoch?" Schauen wir zwei etwa aus wie die Fräuleins vom Amt?


So ganz nebenbei verrät mir mein Bergkumpel dann auch noch, dass er heute Abend anlässlich seines (kirchlichen) Hochzeitstages zum Essen verabredet ist, mit seiner Frau versteht sich. Vielleicht behält er den schönen, neuen Helm besser gleich auf...


Zing • 29. Juni 2023