Vollformatobjektive leuchten theoretisch nicht das 44mm x 33mm große Feld eines 'kleinen' digitalen Mittelformatsensors aus. In der Praxis stellt sich jedoch heraus, dass die 'vintage lenses' sehr wohl erfolgreich an einer Mittelformatkamera eingesetzt werden können. Dabei ist es nicht einmal erforderlich die Kamera in den 35mm-Modus zu versetzen. Es entstehen vielmehr Fotos mit hoher Auflösung und dem gewissen 'vintage look'.

In diesem Artikel wird beschrieben, was es zu beachten gilt, wenn man alte Objektive an eine moderne, digitale Mittelformatkamera (Fuji GFX50SII aka "Die dicke Bertha") adaptiert. Neben den Hinweisen auf mögliche Einschränkungen, Schwierigkeiten und Probleme wird natürlich auf die sich ergebenden gestalterischen Möglichkeiten eingegangen.

I.    Bildkreis, Vignettierung, Obstruktion

Als ganz kleines Kind habe ich bereits gefragt, warum denn die Fotos im Familienalbum eckig sind, wo doch das Ding am Fotoapparat rund ist. Hinterher ist man immer klüger und als Fünfjähriger hatte ich verstanden, dass das runde Ding Objektiv genannt wird und runde Bilder an die Wohnzimmerwand projiziert. Der Film ist aber eckig und deshalb sind es dann auch die Fotos.

Die Negative hatten das Format 36x24mm². Diese Abmessungen nennt man auch heute, im digitalen Zeitalter, immer noch Vollformat. Damit nun ein  Objektiv einen Sensor / ein Negativ mit 36x24mm² vollständig ausleuchten kann, muss es ein Bild mit mindestens 44mm Durchmesser erzeugen, also über einen Bildkreis von 44mm verfügen. Objektive mit einem Bildkreisdurchmesser von 44m nennt man Vollformatobjektive.

Adaptiert man nun solche Vollformatobjektive an eine DSLM mit einem APS-C-Sensor (24x16mm²), so ist das problemlos möglich. Der APS-Sensor pickt sich quasi das Beste aus der Mitte des Bildkreises heraus.

Die Sensoren des "kleinen" digitalen Mittelformats (MFT) messen hingegen 44x33mm². In der Abbildung links wird klar, dass ein Vollformatobjektiv mit 44mm Bildkreisdurchmesser einen solchen MFT-Sensor theoretisch nicht mehr voll ausleuchten kann.

Ist das in der Praxis auch der Fall? Ich hatte so meine Zweifel und habe ein altes Minolta-Objektiv vor die weiße Wohnzimmerwand gehalten - na ja, eigentlich vor einen Zettel, auf dem die Abmessungen eines MFT-Sensors aufgemalt waren - und siehe da, das könnte doch funktionieren.


Zwei Adapter für die alten Minolta-Objektive mit MD-Anschluss und M42-Schraubanschluss auf das Bajonett der Fuji GFX waren schnell beschafft. Die Entdeckungsreise kann beginnen...

Das Bild rechts zeigt den Größenunterschied zwischen einem digitalem Mittelformatsensor (li) und einem APS-C-Sensor (re).

Jeder halbwegs interessierte Fotograf weiß, was er von einem 50mm-Normalobjektiv an einem Vollformatsensor erwarten kann. Montiert mann ein solches Normalobjektiv nun an die APS-C-Kamera, so erfasst der kleinere Sensor nur einen Ausschnitt des Vollformatbildes. Diese Ausschnittvergrößerung entspricht somit einer  scheinbare verlängerten Brennweite. Die scheinbare Brennweitenverlängerung wird durch den sog. crop factor beschrieben. Der corp factor von APS-C-Sensoren beträgt 1,5 (außer Canon, da ist es 1,6). Ein 50mm-Normalobjektiv erzeugt an einer APS-Kamera also einen Ausschnitt, der im Vollformat mit einer Brennweite von 50mm * 1,5 = 75mm entstehen würde.


Am MFT-Sensor beträgt der crop factor 0,8. Das macht die Sache so spannend. Ein 50mm-Normalobjektiv wird zum 40mm-Objektiv, das 28er Weitwinkel sogar zum 22mm-Superweitwinkelobjektiv. Wenn es doch nur so einfach wäre!


In den Ecken des MFT-Sensors werden die Bilder des Vollformatobjektivs dunkler und unschärfer...

Trifft ein Bündel paralleler Lichtstrahlen frontal auf ein Objektiv, so werden diese in der Bildmitte, im Brennpunkt gebündelt.

Lässt man das gleiche Strahlenbündel (gleiche Anzahl Strahlen, gleicher Abstand der Strahlen zueinander) hingegen schräg auf das Objektiv fallen, so verkleinert sich die effektive Obfläche der Eintrittsöffnung und die Randstrahlen können das Objektiv nicht mehr passieren (Abb. links). So gelangen weniger Strahlen aus dem Lichtbündel in den Brennpunkt am Rand des Sensors / Films.


An den Rändern und in den Ecken werden Bilder folglich dunkler. Diesen Effekt nennt man Vignettierung. Alle Kombinationen von Objektiven und Sensoren sind davon betroffen. Bei einem Vollformatobjektiv an der APS-Kamera ist die Vignettierung jedoch nicht so stark wie an einem Vollformatsensor, weil der Bildwinkel scheinbar kleiner wird (crop factor > 1: Bildwinkel wird kleiner).

Durch den crop factor von 0,8 vergrößert sich der Bildwinkel am MFT-Sensor nun jedoch gegenüber dem Vollformat (crop factor < 1: Bildwinkel wird größer) . Es ist also zu erwarten, dass die Vignettierung zunimmt und die Bilder von Vollformatobjektiven auf dem digitalen MFT-Sensor am Rand und in den Ecken dunkler werden. Das wird später (also weiter unten) noch praktisch nachgewiesen.

Die Konstrukteure bemühen sich natürlich die Vignettierung  durch eine optische Konstruktion so weit wie möglich zu reduzieren. Vollständig eliminieren lässt sich die Vignettierung jedoch niemals.


Wer schon einmal Testberichte von Objektiven aufmerksam gelesen hat, stellt fest, dass sich die Abdunklung in den Bildeckken durch Abblenden reduzieren lässt.

Die Abbildung links soll versuchen das zu verdeutlichen. Durch Abblenden wird die Eintrittspupille des Objektivs reduziert. Der unvignettierte Raumwinkel unter dem die Strahlenbündel nun eintreffen wird größer. Ergo nimmt der Helligkeitsabfall an den Bildrändern ab, wenngleich er niemals vollständig beseitigt werden kann, außer man verschließt das Objektiv gänzlich... :-D

Wie kann man Vignettierung messen?


Das ist gar nicht so schwer. Man setzt die Kamera mit dem Objektiv auf eine gleichmäßig leuchtende Oberfläche auf. Handy oder Tablets sind mit ihren hellen Bildschirmen gut geeignet; man benötigt lediglich noch eine "Taschenlampen-App" (oder hat, weil man tiefer in der Materie steckt, ohnehin ein Leuchtpult zur Hand).


Das Bild rechts stellt diesen Vorgang dar. Die Kamera liegt mit einem 50mm Normalobjektiv bei Offenblende 1,7 auf einem Leuchtpult auf. Die Abbdunklung an den Bildrändern und besonders in den Ecken ist deutlich erkennbar.


Auch das Live-Historgamm kann Aufschluß über das Maß der Vigenettierung liefern. Bei idealer, gleichmäßiger Ausleuchtung des Sensors dürfte lediglich eine schmale Linie zu sehen sein, weil ja sämtliche Pixel gleich hell wären. Meistens findet man jedoch eine breitere Verteilung vor, besonders im rechts gezeigten Beispiel...


Die Obstruktion ist eine besondere Form der Vignettierung. Bei Obstruktion handelt es sich um die vollständige Blockierung von Lichtstrahlen. Lichtstarhlen werden also von irgendwelchen mechanischen Komponenten absorbiert und gelangen nicht mehr zum Sensor bzw. Film.


Die Abbildung links zeigt eine extreme Form der Obstruktion (Abschattung) der Eintrittspupille eines Objektivs. Verwender von Weitwinkelobjektiven kennen das Problem, wenn sie Filter mit breitem Rand auf das Objektiv aufsetzen. In den Bildecken wird es schwarz.


Auch für die Verwendung von Vollformatobjektiven am digitalen Mittelformat ist Obstruktion ein relevantes Problem. Die Sonnenblenden dieser Vollformatobjektive sind so ausgelegt, dass es im Vollformat zu keiner Obstruktion kommt. Die gleichen Sonnenblenden obstruieren hingegen den den Strahlengang am Mittelformatsensor sichtbar. Man lässt also die Sonnenblenden für das Vollformat besser beiseite...

Abschattungen durch Komponenten wie Objektivadapter oder ein kleines Kamerabajonett sind ebenfalls möglich (Abbildung links). Man spricht dann von einer Obstruktion der Austrittspupille. Der Effekt bleibt gleich: dunkle, schwarze Bildecken.


Abblenden hilft gegen Vignettierung (s.o.). Hilft Abblenden dann nicht auch gegen Obstruktion? Nein!


Es ist vielmehr so, dass sich Vignettierung und Obstruktion durch das Abblenden unterscheiden lassen. Während die Vignettierung beim Abblenden abnimmt, werden die abgebildeten Ränder der Obstruktion durch Abblenden immer schärfer dargestellt; klar die Schärfentiefe nimmt schließlich durch Abblenden zu!











Obstruktion und Vignettierung können also die Brauchbarkeit von Vollformatobjektiven an digitalen Mittelformatkameras einschränken. Jetzt werden wird dann also unsere vintage lenses an die moderne Kamera anschließen und schauen, was passiert...

II.   Die Verwendung von Adaptern

Die Verwendung von Adaptern ist denkbar einfach. Man wählt ein Modell, das an der Vorderseite das Bajonett des zu adaptierenden Objektivs aufweist. Die Rückseite muss dann nur noch zum Bajonett der Kamera passen.


Im Bild links ist z.B. ein Adapter von Minolta MD/MC/SR-Bajonett auf das Fujifilm GFX-Bajonett bereits an der Kamera montiert. Rechts davor ist ein Adpater von M42-Schraubgewinde auf das GFX-Bajonett zu sehen. Solche Adapter kann man  für ca. 40,- bis 45,- EURO aus Hongkong beziehen. Die Qualität ist sehr hoch und man muss keine Angst um den Objektivanschluss der teuren DSLM haben...


Eine wesentliche Einschränkung ist jedoch, dass solche Adapter über keine elektronische Anbindung an die Kamera verfügen. Information über Brennweite oder Blende wird man daher zunächst vergebens in den EXIF-Daten der Bilder suchen. 

Ja die Kamera "weiß" nicht einmal, dass überhaupt ein Objektiv angeschlossen ist! Wenn es die Maschine nicht automatisch schafft, dann muss der Mensch helfend eingreifen...


Zuallererst muss man der Fuji (gilt für GFX- wie auch FX-Kameras) das Auslösen ohne Objektiv erlauben, denn wie gesagt, der Adapter genügt nicht als Information, dass irgendetwas an das Bajonett angeschlossen ist. Für das Auslösen ohne Objektiv gibt es einen entsprechenden Menüpunkt in den Kameraeinstellungen. Im Lebenszyklus der Kamera muss man das eigentlich nur ein einziges Mal einschalten und kann es dann für immer so lassen...

Die Kamera "weiß" nichts von der Brennweite des adaptierten Objektivs. Man kann aber im Menüpunkt "ADAPTEREINST." verschiedene Brennweiten hinterlegen und eine davon auswählen. Die Kamera schreibt nun diese angegebene Brennweite in die EXIF-Daten der Bilder. Die Information über die Brennweite wird weiters von der Kamera dazu verwendet, um z.B. bei Auto-ISO die maximal zulässige Belichtungszeit zu berechnen, i.A. tB = 1 / ( 2 * Brennweite [s] ).

Die GFX50SII verfügt über IBIS (in body image stabilization = stabilisierter Sensor). IBIS funktioniert jedoch auch nur dann, wenn eine Brennweite unter den ADAPTEREINSTELLUNGEN ausgewählt wurde.

Da die alten Objektive nicht über Autofokus verfügen, ist man gezwungen manuell zu fokussieren. Die Fokuslupe des elektronischen Suchers ist dabei eine wertvolle Hilfe. In einigen Situationen ist es jedoch von Vorteil, das sog. FOCUS PEAKING zu nutzen. Diese Einstellung ist im Menüpunkt MF-ASSISTENT zu finden.

Hinsichtlich ADAPTEREINST. und MF-ASSISTENT empfehle ich, diese Einstellungen auch im Schnellzugriff unter MY MENU abzulegen. Bei der Arbeit mit 'vintage lenses' und häufigem Wechsel der Objektive, benötigt man diese Einstellmöglichkeiten häufiger.

Einzig die Information über die eingestellte Blende fehlt. Bisher ist mir leider nichts besseres als der gute, alte Notizblock eingefallen...

III.  Die Performance alter Objektive - Schärfe, Verzeichnung, Randabfall

Beginnen wir mit der Messung der Vignettierung aller mir zur Verfügung stehenden 'vintage lenses'.

Ganz gleich wie stark man auch abblendet, beim 28er Minolta verschwindet die Vignettierung niemals vollständig. In den aller äußersten Ecken existiert sogar ein Hauch Obstruktion. Akzeptabel ist das MD28mm/2.8 erst ab Blende 11.

Das MD45mm/2.0 ist hingegen eine Überraschung. Das 45er gehört nicht zu den hogeschätzten Minolta-Objektiven. Hier am DMFT-Sensor performt es hinsichtlich der Vignettierung jedoch sehr gut. In der Praxis würde ich ab Blende 5,6 einen Versuch wagen.

Minolta's Nifty Fifties verhalten sich sehr unterschiedlich. Das 1,7er ist ab Blende 8 brauchbar. Das 1,4er weißt jedoch Obstruktion auf. Man erkennt sehr schön, wie diese Obstruktion durch weiteres Abblenden immer schärfer abgebildet wird.

Und jetzt zum Minolta TELE ROKKOR MD 135mm/2.8. Nutzbar bereits ab Blende 4 ist es ab 5,6 sehr gut. Das ist erfreulich, da mir diese Brennweite derzeit im Mittelformat fehlt. Die effektive Brennweite am 44x33mm²-Sensor beträgt 108mm. Man darf auf den Test der Schärfeleistung durch aus gespannt sein.


Von Minoltas MD24-35mm-Zoom habe ich nicht viel erwartet. Über alle Brnnweiten und Blenden dominieren Vignettierung und Obstruktion das Bildfeld.

Das MOG Domiplan taugt nur für den Vollformatsensor. Der Bildkreisdurchmesser beträgt offiziell gemessene 44mm.


Das Carl Zeiss Jena Pancolar ist dann wieder interessant. Ab Blende 8 - 11 kann man das gesamte Bildfeld des DMFT-Sensors nutzen. Das Pancolar ist für seine gute Schärfe bekannt. Mal sehen, ob dieser hohe Anspruch den Anforderungen eines Mittelformatsensors mit 5,6µm pixel pitch später standhält.

Das HELIOS 44-2 überrascht mich. Auch wenn bei Offenblende bis Blende 5,6 in den äußersten Bildecken Vignettierung deutlich wird, so ist der Rest des Bildfeldes erstaunlich gleichmäßig ausgeleuchtet. Die Schärfeleistung dieser klapprigen Russen-Scherbe lohnt es zu überprüfen.


Kommen wir nun zur Schärfeleistung ausgewählter Objektive. In der ersten Testreihe beginnen wir mit der Schärfe in der Bildmitte in Abhängigkeit von der gewählten Blende:

In der Bildmitte geschieht nichts, was nicht zu erwarten wäre. Eine Blende unterhalb der Offenblende ist die Schärfeleistung brauchbar. Im Bereich von 5.6 bis 11 sind alle untersuchten Objektive in der Bildmitte sehr gut. Ab Blende 16 wird Unschärfe durch Beugung (diffraction) erkennbar, das aber auch nur, weil man den Vergleich zu den größeren Öffnungen hat. Warum die Schärfeleistung in der Bildmitte bei Blende 16 so wichtig ist, kann man besser verstehen, wenn man sich einmal die Bildecken anschaut.

Deshalb nun also weiter mit der Schärfeleistung der Objektive in der oberen, rechten Ecke in Abhängigkeit von der gewählten Blende:

Hier werden die Einschränkungen bei der Verwendung von 35mm-Vollformatobjektiven am Mittelformatsensor offensichtlich. Lediglich das 28er und das 135er sind bereits ab Blende 8 akzeptabel. Alle anderen Objektive liefern die beste Schärfeleistung in den äußersten Bildecken erst bei Blende 16 ab! Dabei sind das 45er und das Pancolar sogar noch ein wenig im Nachteil gegenüber den übrigen Linsen. Das HELIOS 44-2 schneidet bei Blende 16 am besten ab.

Dieses Ergebnis ist ein wenig ernüchternd. Will man Bilder, die über das gesamte Sensorfeld scharf und detailreich abbilden, so bleibt eigentlich nur das Abblenden auf Blende 16 übrig. Dann aber setzt in der Bildmitte wiederum bereits die Beugungsunschärfe ein (s.o.).

Immerhin ist daran positiv, dass dann auch die Vignettierung gering ist.

Vielleicht ergibt sich mehr Flexibilität, wenn man die Bildecken ignoriert, also einfach "abschneidet".

IV.  Alternative Seitenverhältnisse und der 35mm-Modus

Man könnte die äußersten Bildecken ausschließen, indem von vornherein ein anderes Seitenverhältnis wählt. Dabei verzichtet man dann zwar auf einige Megapixel der 51MP-Sensors (deshalb GFX50!), eröffnet jedoch die Möglichkeit einige der 'vintage lenses' bereits ab Blende 8 verwenden zu können.

Schränkt man z.B. die Bildhöhe ein (Grafik o. links), dann man hat man die Optionen 3:2 (45,3MP) oder 65:24 (25,1MP). Das Seitenverhältnis 3:2 schließt jedoch kaum die unbrauchbaren Bildecken aus. Das Seitenverhältnis 65:24 - ein Erbe der Fujifilm TX-1 bzw. Hasselblad Xpan - schneidet besser ab, wobei die Einsatzmöglichkeiten jedoch aufgrund des Panoramaformats u.U. eingeschränkt sind.

Es gibt weiters die Möglichkeit, die GFX im 35mm-Modus (Grafik o. rechts) einzusetzen und sie so zur Vollformatkamera zu machen. Dann sind sogar alle der untersuchten Objektive einsetzbar. Allerdings stehen dann auch "nur" noch 30,3MP Auflösung zur Verfügung.

Bleibt noch die Beschneidung der Bildbreite. Das Format 5:4 liefert 47,8MP, das Seitenverhältnis 7:6 immerhin noch 44,6MP (Grafik u. links). 7:6 hat sich in der Praxis als sehr angenehm erwiesen, aber nicht weil noch mehr unscharfe Ecke abgeschnitten wird als bei 5:4, sondern weil mich persönlich die gestalterischen Möglichkeiten des Seitenverhältnisses 7:6 sowohl im Quer- wie auch im Hochformat sehr inspirieren.

Bleibt noch das quadratische Seitenverhältnis 1:1, das immerhin noch 38,3MP abliefert und das Gefühl von 6x6 TLR zu vermitteln vermag. Bei 1:1 können einge Linsen sogar noch bei den Blenden 5,6 oder 4 verwendet werden.

V.   Praxisergebnisse

Nachdem ich nun mit den Seitenverhältnissen 6:7 und 1:1 meine Frieden gefunden hatte, konnte das "neue" Projekt mit "alten" Linsen beginnen. Ich arbeite meist mit JPEGs sooc. Mir ist dabei aufgefallen, dass das simulierte Filmkorn der GFX die Wiedergabe von Details negativ beeinflusst. Das 'digitale' Korn schalte ich deshalb bei Verwendung von 'vintage lenses' an der GFX50SII ab und ergänze es in der Nachbearbeitung.


Verzeichnung hatte ich bisher nicht untersucht. Da keine elektronische Kommunikation zwischen den MF-Linsen und der GFX50SII besteht, kann die Kamera auch keine Korrektur an den Bildern anbringen. Insbesondere MINOLTAs MD 28mm 1:2,8 fällt hier durch eine tonnenförmige, inhomogene Verzeichnung auf, die sich im Rahmen der Nachbearbeitung nicht mehr vollständig korrieren lässt. Das 28er ist für Architekturfotografie nahezu ungeeignet.


Einige JPEG-Rezepte müssen bei der Verwendung von 'vintage lenses' am DMFT ebenfalls leicht modifiziert werden. So ist es z.B. hilfreich die Schärfe um ein bis zwei Stufen zu erhöhen. Auch die Klarheit sollte angepasst werden, besonders dann, wenn sie normalerweise auf negative Werte eingestellt ist. Den Weichzeichnereffekt liefern die alten Vollformatobjektive nämlich ganz von alleine...

VI.  Der Vergleich zu einem modernen GF-Objektiv

Wie groß ist der Unterschied in der Abbildungsleistung zwischen modernem MFT-Objektiv und 'vintage lens'? Ein Praxisversuch sollte das zeigen. Die beiden Aufnahmen zeigen den Dohlenfelsen in Konstein, links aufgenommen mit einem Fujinon GF 45-100mm 1:4 R LM OIS WR und rechts mit einem MINOLTA MD ROKKOR 50mm f/1,7, beide abgeblendet auf 5,6.

Neben der offensichtlichen Vignettierung durch das alte Objektiv fällt auch die tonnenförmige Verzeichnung durch die 'vintage lens' auf. Schon in der Gesamt-ansicht wird deutlich, dass die Kontrastleistung des modernen Objektivs deutlich besser ist gegenüber der immerhin mehr als 30 Jahre alten Konkurrenz. Die neue Optik bildet etwas wärmer ab als das ältere Minolta Objektiv.


Der Vergleich der Detailansichten fördert weitere Unterschiede zutage. In der oberen Bildreihe wird jeweils ein 100% crop aus der Bildmitte dargestellt. Die Auf-lösungsleistung beider Objektive ist vergleichbar, die Kontrastleistung der alten Optik rechts ist hingegen schwächer.

Bei dem oben dargestellten Vergleich der 100% crops der unteren, rechten Bildecke werden die Unterschiede offensichtlich. Das GF 45-100mm ist hier so gut wie in der Bildmitte. Das Minolta Objektiv zeigt hier hingegen nur noch "Matsch". Erst bei Abblenden auf f/11 oder f/16 wäre die Abbildung der 'vintage lens' brauchbar.


Das Ergebnis eines direkten Vergleichs war in dieser Deutlichkeit durchaus zu erwarten, wurde doch zuvor gezeigt, dass für brauchbare Fotografien mit den alten Objektiven die unschönen Bildecken abgeschnitten werden müssen.

Andererseits kostet das moderne GF-Objektiv auch ca. 45 mal so viel wie ein gut erhaltenes Nifty Fifty Objektiv. Wäre schlimm, wenn das GF nicht hervorragend wäre.

VII. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Wenngleich mir bereits zu Beginn dieser Untersuchung klar war, dass die alten Vollformatobjektive niemals ein vollwertiger Ersatz für (moderne) Mittel-formatobjektive sein können, so hatte ich doch gewisse Erwartung bzw. Hoffnungen an die 'vintage lenses' geknüpft.


Mit dem 28er (22mm-Äquivalent) kann ich nun zwar meine unterentwickelten Weitwinkelfähigkeiten trainieren, aber eine praktikable Dauerlösung wird das nicht werden, zumal dieses Objektiv zu viel Nacharbeit am Rechner erfordert.


Minoltas 45er und 50er können nichts, was das vorhandene GF 45-100mm f/4 R LM OIS WR nicht viel besser könnte. Einziger Vorteil der alten Objektive ist das geringere Gewicht.


Den besonderen Charakter von Pancolar oder HELIOS 44-2 konnte ich bisher noch nicht herausarbeiten. Das HELIOS 44-2 hatte immerhin bezüglich Schärfe und Vignettierung positiv überrascht. Auf dem Gebiet der "Charakter-Optiken" gibt es vielleicht noch viele Möglichkeiten zu entdecken. Dieses Thema werde ich weiterverfolgen.


Das 135mm TELE ROKKOR ist eine Bereicherung, weil ich bisher über kein GF-Objektiv in diesem Brennweitenbereich verfüge, die Linse bereits ab Blende 4 sehr gut (Seitenverhältnisse 7:6, 1:1) ist und eine Naheinstellgrenze von 1,5 m bietet. Die Flexibilität eines Zooms bietet das 135er jedoch nicht. Hier muss man mit den Füßen zoomen, was bei weiter entfernten Objekten jedoch nicht immer ganz einfach sein kann. Bei FUJIs nächster Cash-Back-Aktion wird deshalb auch das 135er hinter ein GF 100-200mm f/5.6 zurückfallen...


Insgesamt war/ist die Adaption von alten Vollformatobjektiven an das digitale Mittelformat eine spannende Erfahrung. Die 'vintage lenses' werden bestimmt noch oft den Weg vor die GFX50SII finden. Schöne Fotos lassen sich damit auf jeden Fall gewinnen. Nur sollte man sich jeglicher Hoffnung entledigen, dass man mal eben ein Ebay-Schnäppchen vor die wertvolle Mittelformatkamera schnallt und so mehrere tausend Euro für ein Systemobjektiv einsparen kann. Eine bestimmte Bildqualität hat eben ihren Preis!


Zing, 30.05.2023